: Beit Sahour zeigt langen Atem
Das Palästinenserdorf in der Westbank wird seit vier Wochen von israelischen Truppen belagert / Bevölkerung will an Steuerstreik festhalten / Besatzungsmacht droht mit Pfändung von Konten ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Ein palästinensisches Dorf als Speerspitze des Widerstands gegen die Besatzung: Seit nunmehr einem Monat wird der vorwiegend christliche Ort Beit Sahour in der Nähe von Bethlehem in der Westbank von israelischen Truppen der belagert.
Nach dem Motto „keine Steuern ohne (politische, d.Red.) Vertretung“ weigert sich die Bevölkerung, die geforderten Abgaben zu entrichten. Der Wert der von Steuerbeamten und Soldaten konfiszierten Güter beläuft sich mittlerweile auf schätzungsweise drei Millionen Dollar. Gestern wurde es selbst den drei Patriarchen von Jerusalem verwehrt, den Ort zu besuchen.
Der Leiter der Zivilverwaltung der israelischen Besatzungsmacht, Brigadegeneral Shaike Erez, warnte diese Woche die Bevölkerung von Beit Sahour davor, Gelder von der PLO als Entschädigung für den beschlagnahmten Besitz entgegenzunehmen. Palästinensischen Angaben in Ostjerusalem zufolge haben israelische Behörden bereits die arabische „Kairo-Amman-Bank„in Nablus unterrichtet, daß Konten der Bewohner von Beit Sahour und Ramallah gepfändet werden könnten.
Ungeachtet der Blockade gelang es jüngst einigen israelischen Friedensaktivisten, in den Ort vorzudringen. In einer Grußbotschaft der Bevölkerung an ihre Gäste hieß es: „Viele von euch wissen, daß Beit Sahour ein freundlicher Ort ist, in dem jeder Israeli, der als Besucher und nicht als Besatzer kommt, willkommen ist, der hier schlafen und mit uns das Brot brechen kann. Jetzt, unter der Belagerung, erhalten wir keinen Nachschub an Nahrungsmitteln, und wir leben im Zustand einer Wirtschaftsblockade. Beschlagnahmungen in Geschäften, Häusern und Fabriken werden begleitet von Schlägen, Erniedrigungen und Plünderungen.“
Die Hintergründe des Streiks werden ebenfalls erläutert: „Wir stellen Gesetze infrage, die Brutalitäten und Kollektivstrafen erlauben, um Steuern zu kassieren, die erlauben, daß der Wert der Konfiskationen den der geforderten Steuersummen um das Zehnfache überschreitet. Aber nichts, was hier geschieht, wird uns abhalten, vom Frieden zu reden. Wir widersetzen uns auch, weil die eingezogenen Steuern für die harten Maßnahmen gegen unsere Bevölkerung benutzt werden. Wir werden nicht die Kugeln finanzieren, die unsere Kinder töten, wir werden nicht die wachsende Zahl von Gefängnissen bezahlen, nicht die Ausgaben der Besatzungsarmee, den Luxus und die Gelder für die Kollaborateure.“
Der Aufruf schließt mit einem Appell an die Gäste: „Wir wollen nicht mehr als das, was ihr habt: Freiheit und unseren eigenen souveränen Staat. Wie alle anderen Völker sehnen sich auch die Palästinenser nach Frieden. Es ist eure Sache eure Mitbürger aufzufordern, zu entscheiden, wann sie endlich diese unbestreitbaren Tatsachen akzeptieren wollen.“
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