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Roter Teppich für DDR-Rückkehrer

DDR lädt Ausgebürgerte und Übersiedler zur Rückkehr ein / Straffreiheit für „Republikflucht“ / Zusagen für Arbeitsplätze und Wohnungen / Eigene Häuser sollen zurückgegeben werden / DDR bereitet sich offenbar auf eine Welle von Rückkehrern vor  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Vor einem Monat hießen sie in der DDR noch „Verräter“, jetzt will man sie mit offenen Armen empfangen: rückkehrwillige Übersiedler, sogenannte Republikflüchtige und ausgebürgerte DDR-Staatsbürger. Bei einem Treffen mit dem Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes haben Repräsentanten der Ständigen Vertretung der DDR am Sonntag entsprechende verbindliche Zusagen gemacht. Das Treffen war auf Bitten des Deutschen Roten Kreuzes der DDR zustande gekommen. Dabei paraphierten die Verantwortlichen der DDR -Vertretung ein Rundschreiben des DRK-Präsidenten, in dem genaue Modalitäten für die Rückkehr von ehemaligen DDR -Bürgern festgelegt sind.

In diesem Rundschreiben, das gestern per Telex an alle DRK -Landesverbände und Beratungsstellen versandt wurde, heißt es im einzelnen: Rückkehrwillige Übersiedler - egal ob sie noch einen DDR-Ausweis haben oder schon einen bundesdeutschen Paß - können „ohne weitere Regelungen die Grenze passieren und in ihren Heimatort oder einen anderen Ort ihrer Wahl in der DDR weiterreisen“ und sich dort niederlassen. Bereits erhaltene Personalpapiere der Bundesrepublik werden gegen einen Personalausweis oder Reisepaß der DDR umgetauscht. Ausgebürgerte DDR-Übersiedler können direkt an der Grenze ein Wiedereinbürgerungsverfahren betreiben, über das innerhalb weniger Stunden entschieden werde. Fällt die Entscheidung positiv aus, sollen auch ausgebürgerte DDRler an einem Ort ihrer Wahl leben können. Der Straftatbestand der Republikflucht soll „jetzt und in Zukunft keine Bedeutung mehr für die Betroffenen besitzen“.

Der Leiter der Ständigen Vertretung der DDR, Konsul Lampat, verbürgte sich gegenüber dem DRK dafür, „daß jedem Rückkehrer optimale Hilfen zur Wiederbegründung seiner Existenz in der DDR vermittelt werden.“ Ganz konkret sicherten die DDR-Repräsentanten bei dem Treffen zu, daß Übersiedler, deren Wohnung in der DDR noch versiegelt ist, diese sofort wieder beziehen können. Sollte ihre Wohnung von anderen Mietern bezogen sein, würden die örtlichen Behörden den Rückkehrern bei der Wohnungssuche behilflich sein. Dieselbe Regelung gilt auch für den ehemaligen Arbeitsplatz. Zurückgelassener Hausrat soll den Betroffenen - sofern möglich - zurückgegeben Fortsetzung auf Seite 2

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werden, der Erlös versteigerter Güter wird ihnen überwiesen. Hauseigentümer sollen ihren Besitz zurückerhalten und ihre Häuser auch dann beziehen dürfen, wenn sie inzwischen von anderen Mietern bewohnt werden. Rückkehrende DDR-Bürger sollen Hausrat, PKWs und Gebrauchsgegenstände aus dem Westen zollfrei in die DDR mitnehmen dürfen. Können sie nicht gleich alles transportieren, dürfen sie den Rest später nachholen. Außerdem will die DDR den Rückkehrwilligen Vorschußleistungen auf den Arbeitsverdienst und Kredite ermöglichen. Sollten sich Probleme bei der Wiedereingliederung ergeben, könnten sie sich ungehindert an das DRK der BRD wenden.

Die DDR stellt sich offenbar auf eine starke Rückkehrwelle ein. An den Grenzübergangen Hof, Herleshausen, Helmstedt und Gudow werden derzeit Beratungsstellen und Ämter eingerichtet. Dabei rechnet die DDR auch mit „Sammeltransporten“. Auch die DRK-Beratungsstellen verzeichnen eine zunehmende Rückkehrbereitschaft der Übersiedler. Von den 3.700 Reisenden, die nach Öffnung der Grenze in Niedersachsen einen Übersiedlungswunsch geäußert hatten, haben sich erst 2.600 bei den Behörden gemeldet. Davon entschieden sich hundert gleich innerhalb der ersten 24 Stunden für die Fahrt retour.

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