: Immer mehr Widersprüche bei C-Waffen
Die Bundesregierung sagt in bezug auf ihre Chemiewaffenpolitik weiterhin nicht die Wahrheit / Eine kleine Anfrage der Grünen brachte einmal mehr Ungereimtheiten auf der Hardthöhe ans Licht / Staatssekretär Wimmer ist nicht informiert ■ Von Andreas Zumach
Genf (taz) - Die Bonner Koalition verstrickt sich zunehmend in Widersprüche hinsichtlich ihrer Chemiewaffenpolitik. In einer am Dienstag abend veröffentlichten Antwort der Hardthöhe auf eine kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Beer schreibt der Parlamentarische Staatssekretär Wimmer, US -Verteidigungsminister Cheney habe auf seiner Bonner Pressekonferenz am 27.Oktober „nochmals bestätigt, daß der Abzug aller amerikanischen C-Waffen wahrscheinlich schon 1990, spätestens aber 1991 abgeschlossen sei“.
Tatsächlich hatte Cheney erklärt, er „würde erwarten, daß der Abzug innerhalb der nächsten ein oder zwei Jahre abgeschlossen wird“.
Zum drittenmal nach einer Falschbehauptung des Bundeskanzlers am 27. April vor dem Bundestag (US-Zusage für einen vollständigen Abzug bis Ende 1990) und einer ähnlich unwahren Erklärung des damaligen Regierungssprechers Ost am 8.März erfindet die Bundesregierung feste Zusagen aus Washington. Erklärungen amerikanischer Regierungsmitglieder, wonach es für die Äußerungen Bonner Regierungspolitiker keinerlei Basis gebe, will die Bundesregierung, so Wimmer „nicht kommentieren“.
Völlig unbeeindruckt zeigt sich Bonn auch über einen diese Woche vom US-Kongreß verabschiedeten Zusatz im US -Militärhaushalt 1990. Danach ist Vorbedingung für den Abzug der C-Waffen eine Garantieerklärung Cheneys an den US -Kongreß, wonach die USA über einen „angemessenen Vorrat an neuen binären C-Waffen“ verfügen und mit dem Abzug „ein Minimum an technischen und opartionablen Risiken“ gewährleistet ist.
Die rechtzeitige Erfüllung dieser Voraussetzungen ist nicht nur für den Antragsteller Larry Hopkins, sondern auch für die meisten Washingtoner C-Waffenexperten „nicht vorstellbar“.
Eine Stationierung binärer Waffen in der Bundesrepublik ist nach Wimmers Auskunft „im Frieden“ ausgeschlossen und „im Verteidigungsfall nur nach vorherigen Konsultationen in der Nato und vorangegangener Zustimmung der entsprechenden aufnehmenden Länder der Nato möglich“. Dies fällt hinter Aussagen von Koalitionspolitikern in der Bundestagsdebatte vom 27.Oktober zurück, wonach die Bundesregierung klargemacht habe, daß sie eine Zustimmung zur Stationierung unter keinen Umständen erteilen werde.
Die Frage der Grünen, ob es eine definitive Zusage der US -Regierung gibt, auch auf die „getrennte Lagerung moderner binärer Waffen (chemische Substanzen, Artilleriegeschosse)“ zu verzichten, beantwortet Wimmer nicht. Über die Anfang Oktober bekanntgewordene Entscheidung der Bush -Administration, die Binärwaffenproduktion eventuell auch nach Inkrafttreten eines Genfer C-Waffenvertrages fortzusetzen, ist die Bundesregierung laut Wimmer nicht informiert.
Vertreter des Pentagon wie des State-Department hatten entsprechende Zeitungsberichte hingegen öffentlich bestätigt. Berichte des Rechnungshofes des US-Kongresses (GAO), wonach in der Bundesrepublik 6,6 Prozent aller US-C -Waffen und damit über 2.000 statt der bislang vermuteten 435 Tonnen lagern, bezeichnet die Bundesregierung als „Schätzung“. Der GAO gilt in den USA allgemein als aüßerst verläßliche Quelle.
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