: Gemütlichkeitskomponenten
■ Die LLoyd-Passagiere feiern Richtfest / Große und Kleine Hundestraße unter Glas
Wie komme ich eigentlich dazu, auf die neue Lloyd-Passage anzustoßen? Aber schon erhebt Hans-Hinrich Blumenberg sein Glas, und die Baudirektoren auch, und der Bauleiter auch, und der Herr Handelskammer auch, und der Herr Geschäftsführer auch, und
also wir Journalisten auch. Ein stiller Glasboykott ist da zu nichts nutze. Die Herren aber trinken in dem schöneren Bewußtsein, weil sie es zu was gebracht haben: die LLoyd -Passage hat nach sechsmonatiger Bauzeit ihren höchsten Punkt erreicht und deshalb 17m
Richtfest. Obwohl das Wort Richtfest seltsam archaisch wirkt bei diesem Stahlträger-Kolossos. Aber noch sind wir nicht unten im Oktogon unterm Kranz, sondern oben im Lloyd-Cafe von Horten. Umzingelt schon hier von Glas: Wer stellt hier eigentlich wen aus? Wer schaut wem zu? Oder sind wir seltene Pflanzen?
Hans-Hinrich Blumenberg, Karstadt-Geschäftsführer und erster Vorsitzender der Interessengemeinschaft LLoyd -Passage, ist stolz und glücklich. Dabei ist ja erst Richtfest! Was wird da noch alles an „Gemütlichkeitskomponenten“ auf uns und Paare und Passanten zukommen: Papierkörbe, Bänke, Pflanzen! Und nicht nur Lampen, sondern ganze „Lampenbestückungen“!! Und was werden wir uns sehen und gesehen werden! Und was ist der Temperaturunterschied plusminus fünf Grad zu draußen, also zur jeweiligen Unwirtlichkeit der Stadt. Diese Wetterwendische! Zusätzlich zur Gemütlichkeitskomponente kommt dann auch noch die Einkaufskomponente: Zugfrei, brandfrei (220 Rauch-Wärme-Abzug-Lüftungsflügel), regenfrei (3000qm 12mm-starkes Sicherheitsglas). Slogan: „Wir kennen in der Bremer City nur noch schönes Wetter“. Klar, daß das niemand so schnell nachmachen kann. Außer vielleicht alle anderen Städte, aber die verschwinden ja angesichts der oberzentralen LLoyd-Passage in gläserner Versenkung. Herr Nullmeyer von der Handelskammer betont den Pilotcharakter: Wo sonst haben Kaufmannschaft und Stadt schon derart passagentechnisch zusammengewirkt. Prima.
Zum Beispiel bei den elf Millionen Gesamtinvestition, von denen Stadt und Bund 1,6 getragen haben. Ein Wunder, daß es da einen anliegernden Quertreiber gab, naja, 85jährig, kein Wunder, daß man in dem Alter unserer Zukunft kein Zuhause mehr baut.
Unten im Oktogon warten schon Herr Senator Beckmeyer und die Stahlbauer. Paare und Passanten bei Fuß. Herr Blumenberg leitet mit einem Bismarck-Spruch ein, wonach sinngemäß die Verschmelzung widerstrebender Elemente durch Gemeinsames gefördert werden kann. Die Verschmelzung von Käufern durch gemeinsames Einkaufen etwa? Claudia Kohlhas
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