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„Täglich zwei Güterzüge“

■ Bundesdeutsche Giftmüllgeschäfte mit Polen sind schon im März 1989 auf der Baseler Konferenz dokumentiert worden / Greenpeace: „An Schäbigkeit nicht zu überbieten“

Als sich im März in Basel 115 Staaten zur Ausarbeitung einer Konvention gegen Giftmülltransporte trafen, war die Blickrichtung klar: von Nord nach Süd. Es ging fast ausschließlich um den Export von Giftmüll aus den Industrieländern (des Westens) in die Dritte Welt. Der rege Giftmüllhandel von verschiedenen westeuropäischen Ländern mit der DDR, aber auch mit Polen und anderen osteuropäischen Ländern wurde nur am Rande erwähnt. Aber er wurde immerhin erwähnt und ist im offiziellen Reader der UNO -Umweltorganisation UNEP für die Baseler Konferenz auch nachzulesen.

Polen und seine Giftmüll-Politik ist dort mit drei konkreten Projekten aufgeführt, darunter ein österreichisches und zwei bundesdeutsche. Im einzelnen wird auf die geplante Lieferung von 900.000 Tonnen giftigen, schwermetallhaltigen Baggerschlamms aus dem Rhein nach Bogatynia (Schlesien) hingewiesen. Der deutsche Absender ist nicht genannt, die polnische Importfirma ist die Copex.

Über das Ausmaß der Lieferungen heißt es: „Täglich sollen zwei Güterzüge (mit giftigem Schlamm) auf das Gelände einer ehemaligen Braunkohlegrube in Bogatynia gebracht werden. Das Warschauer Umweltministerium bezeichnet den Schlamm als unschädlich. Polnische Umweltgruppen rechnen jedoch in der Schlickfracht mit hohen Anteilen an Chrom, Kobalt und Kadmium. Der Preis: 30 DM je Tonne“. Soweit die Erkenntnisse der UNEP. Der Vertrag über dieses Müllgeschäft ist der UNO -Umweltorganisation im Januar 1989 bekanntgeworden, er datiert vom August 1988.

Der zweite Giftmüllhandel mit bundesdeutscher Beteiligung wird nur mit einem lapidaren Satz vorgestellt: „Der Hamburger Wirtschaftssenator will die Braunkohlegrube (Bogatynia in Schlesien) als Deponie für jährlich zwei Millionen Kubikmeter Hafenschlick nutzen.“

Obwohl die Existenz des Müllhandels von West nach Ost also auf der Baseler Konferenz hinlänglich bekannt und in Einzelfällen sogar dokumentiert war, hatten dort weder die osteuropäischen Länder noch die Giftmüllproduzenten im Westen ein Interesse daran, ihn zu thematisieren. Vor allem die devisenabhängigen osteuropäischen Länder wollten die Giftmüllimporte als neue Valutaquelle um keinen Preise versiegen lassen.

Die DDR glänzte in Basel denn auch mit einer durchweg „liberalen“ Haltung im internationalen Müllgeschäft. Und auch Polen gab als offizielle Position zu erkennen, daß „ein vollständiges Verbot des Sondermüllexports zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwierig sein dürfte“. Der Giftmüll, so die in dem UNEP-Reader wiedergegebene Haltung der damaligen polnischen Regierung weiter, solle zwar „möglichst“ am Entstehungsort beseitigt werden, aber in „wenigen Ausnahmefällen“ könne er auch exportiert werden. So hielt man sich die Hintertüren weit offen.

Ein Jahr nach der Baseler Konferenz haben nur ganze zwei Länder die Giftmüllkonvention ratifiziert. Und ob diese Konvention überhaupt geeignet ist, den internationalen Giftmüllhandel zu stoppen, ist umstrittener denn je. Giftmülltransfers von West- nach Osteuropa werden damit jedenfalls nicht behindert. Allenfalls die gegenseitige Information über alle Geschäfte wird verlangt. Aber solange weder die Bundesrepublik noch Polen die Konvention ratifiziert haben, ist nicht einmal dies vorgeschrieben.

Auch die Durchschlagskraft des im August 1989 in Polen verhängten Importverbots für Giftmüll ist noch fraglich. Die Umdeklarierung von Abfällen zu „Rohstoffen“ und vor allem die fehlenden Analysemöglichkeiten bei den Zollbehörden zur Überprüfung der Frachten ziehen dem Verbot die Zähne.

Die Umweltorganisation Greenpeace hat die Müllgeschäfte mit Polen jetzt scharf kritisiert. Ihr Abfallexperte Andreas Bernstorff: „Die Müllspekulanten bieten zwischen zwei und zwanzig Dollar pro importierter Tonne Abfall. Die Entsorgungspreise in den Herkunftsländern liegen mindestens zehn-, manchmal hundertmal so hoch“. Nach Recherchen von Greenpeace ist den polnischen Behörden allein im vergangenen Jahr die Entsorgung von zwei Millionen Tonnen Industrie- und Giftabfällen angeboten worden. Firmen aus den USA und der Bundesrepublik hätten, so Bernstorff, sogar komplette Anlagen zur Verbrennung von Importabfällen und zum „Recycling von Altöl“ gratis offeriert - verbunden mit der Auflage, daß die Rückstände in Polen bleiben müßten.

Fazit von Greenpeace: „Die wirtschaftliche Öffnung Osteuropas auf der Schiene Abfalldumping auszunutzen ist an Schäbigkeit kaum zu überbieten.“

Manfred Kriener

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