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Das grüne Gewissen Brasiliens

■ Ein Buch über den Agrarökonomen Jose Lutzenberger / Mehr Heldenverehrung als Information

Dieses Buch wollte ich noch abends auf der Buchmesse im Oktober 1989 verschlingen: über Jose Lutzenberger, Agrarökonom aus Südbrasilien, ehemals Manager bei BASF in Brasilien, der Bundesrepublik Deutschland, Venezuela und Marokko, weltweit bekannter Umweltschützer, im Herbst 1988 Redner gegen den Weltbankgipfel in West-Berlin, 1989 Experte beim Bundestagshearing zum „Schutz der tropischen Wälder“, Träger des „Alternativen Nobelpreises“ 1988. Und nun das erste Buch zur Person, dazu von Siegfried Pater, der unter dem Titel Das Brot des Siegers einmals so wunderbar die internationale Hackfleisch-Burger-Mafia auseinandernahm.

Aber hätte ich es nicht rezensieren wollen, hätte ich es nach 60, 70 Seiten aus der Hand gelegt. Kapitelweise Heldenverehrung, geschrieben aus der Perspektive eines bewundernd nach oben schauenden Kindes: Lutzenberger bekommt täglich hunderte Briefe, hunderte Telefonate, befindet sich stets in tätiger Unruhe und läßt sogar einem Käfer zuliebe vor seiner Hauseinfahrt die Luft aus den Reifen! Ist er nicht toll?!

Ein zu schnell dahingeschriebenes Buch, das aus Abschriften von Gesprächen und einer oberflächlichen Schilderung der Person besteht. Man wartet, daß Pater einmal mit dem fragenden Blick eines Biographen hinsieht, der die Fassade des Mannes abtastet und sogar hinter sie zu schauen versucht. Vergebens. Über die Person Lutzenbergers erfahren wir nur, daß er ein Workaholic ist. Pater nutzt auch nicht die Schilderung der Person, um etwas über die brasilianische Ökologiebewegung zu berichten, etwa über Lutzenbergers Verhältnis zur „Partido Verde“, der grünen Partei mit dem Präsidentschaftskandidaten Fernando Gabeira. Obwohl diese Bewegung im Kampf gegen die Agrargifte in Südbrasilien entstand und maßgeblich von Lutzenberger initiiert wurde.

Fürs Weiterlesen wurde ich dann doch noch belohnt, mit langen, von einprägsamen Bildern lebenden Ausführungen Lutzenbergers über die Philosophie des Mülls, über Recycling in einer Gerberei, über Bauernwirtschaft und Monokultur, über das „Gaia-Konzept“ von der Erde als einem sich selbst regenerierenden Organismus. Der interessante Kern des Buches, der in dem heldenverehrerischen Drumherum unterzugehen droht. Da wäre es besser gewesen, gleich vier, fünf lange Interviews zu diesem Thema abzudrucken.

Ulfried Geuter

Siegfried Pater: Das grüne Gewissen Brasiliens: Jose Lutzenberger. Lamuv-Verlag, Göttingen, 1989, 189 S., DM 19,80.

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