: „Die ganze Veranstaltung gleicht einem Ritt über den Bodensee“
Joachim Spangenberg, Gen-Tech-Experte und Gutachter des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), über die Bundestagsanhörung zum Gen-Tech-Gesetz ■ I N T E R V I E W
taz: Wie steht es denn um die Akzeptanz des geplanten Gentechnikgesetzes auf dem Hearing?
Joachim Spangenberg: Auf seiten der Industrie und Verwaltung ist diese Akzeptanz sehr gut. Die stark eingeengte Öffentlichkeitsbeteiligung geht ihnen zwar immer noch zu weit. Dennoch können sie sich mit dem vorgesehenen Gesetz anfreunden. Die Großen der Branche kennen natürlich auch den internationalen Vergleich und wissen, daß die Bestimmungen in den USA zumindest genauso streng sind. Man spürt das große Bedürfnis, dieses Gesetz möglichst schnell zur Verfügung zu haben, weil die praktische Anwendung der Gentechnik schon lange stattfindet. Die Umweltverbände, aber auch die Gewerkschaften sehen den Gesetzentwurf sehr kritisch. Die Bewertung ist insgesamt so unterschiedlich wie die Bewertung dieses Anhörungsverfahrens, von dem niemand weiß, ob es überhaupt einen Sinn hat und nicht nur Alibifunktion.
Unser Korrespondent sprach von einer unwürdigen Veranstaltung mit einer heillosen Organisation und einer mangelnden Vorbereitungszeit für die Referenten...
Das Ganze ist ein gewaltiger Ritt über den Bodensee. Es gibt für diesen Gesetzentwurf 250 Seiten Änderungsanträge aus dem Bundesrat. Die gehören zur Verhandlungsmasse. Die CDU-regierten Länder haben sich bereits geeinigt, welche dieser Anträge sie im Bundesrat durchlassen werden. Die Bundesregierung kann davon also kaum abweichen. Trotzdem sind diese Anträge den Experten nicht zugegangen. Die eingereichten Stellungnahmen der Experten sind nur zum Teil veröffentlicht worden.
Ein großer Teil der eingeladenen Fachleute kann sich nicht auf andere Gutachter beziehen, weil sie deren Papiere überhaupt nicht kennen. In diesem Zustand der relativen Uninformiertheit sollen wir dann unseren Sermon ablassen. Außerdem kamen viele kritische Gutachter bisher gar nicht zu Wort.
Welches sind Ihre hauptsächlichen Kritikpunkte an dem Gesetzentwurf?
Grundsätzlich ist dieses Gesetz ein Fördergesetz für die Gentechnik. Das wurde bei der Anhörung sehr schön deutlich, als der Unionsabgeordnete Vogt die Industrievertreter fragte, ob denn der Fördergedanke des Gesetzes noch deutlich genug sei. Wenn dieser Fördergedanke wie beabsichtigt festgeschrieben wird, hat das fatale Konsequenzen. Dann wären auch die Prüfungs- und Kontrollinstanzen wie etwa die ZKBS (Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit), die ja die Sicherheitsrisiken bewerten soll, an diese Förderung gebunden.
Welches sind neben dem Förderprinzip die wichtigsten Kritikpunkte?
Die Sicherheitskriterien sind völlig unzureichend, niemand weiß, welche überhaupt gefordert werden. Viele potentiell gefährliche Bereiche der Biotechnologie fallen ganz raus. Die mangelnde Öffentlichkeitsbeteiligung bleibt wesentlicher Kritikpunkt. Und der Gesetzentwurf arbeitet mit vielen Euphemismen und verbalen Schönfärbereien. Da wird von „geschlossenen Anlagen“ geredet, die dadurch definiert sind, daß die Menge des austretenden Materials begrenzt ist. Da werden nicht mal mehr Grenzwerte angegeben. Wenn in einer Gen-Tech-Anlage „nur“ 90 Prozent des chemischen und biologischen Materials austritt, handelt es sich demnach schon um eine Begrenzung und damit um eine geschlossene Anlage.
Wie ist das Verhältnis zwischen Kritikern und Befürwortern auf dem Hearing?
Die härtesten Befürworter, die die wenigsten gesetzlichen Regelungen wollen, kommen nicht von der Industrie, sondern aus der Wissenschaft, also Max-Planck-Institut, Deutsche Forschungsgesellschaft, ZKBS, Gesellschaft für Mikrobiologie usw. Der Verband der Chemischen Industrie fordert interessanterweise, genauso wie die Kritiker, eine Dezentralisierung des Gesetzes. Man glaubt offenbar, daß man auf die Landesregierungen mit den Arbeitsplätzen im Rücken besser Druck ausüben kann. Auch die Industrieunternehmen der zweiten Reihe gehören zu den Hardlinern, wie zum Beispiel Boehringer-Mannheim.
Welche Rolle spielen denn moralische und ethische Gesichtspunkte?
Keine. Das ist eine Fragestellung, die hier nicht vorgesehen ist. Hier geht es um andere Dinge. Um noch mal ein spannendes Beispiel zu nennen: Der Vertreter des Gen -Zentrums München fragte, ob es denn überhaupt genügend kompetente Wissenschaftler gebe, um die Genehmigungen von Gen-Tech-Anlagen dezentral durchzuführen. Ihm wurde gesagt, daß man angesichts von elf Bundesländern auch bereit sein müsse, zweit- oder drittklassige Leute in die Verantwortung zu nehmen. Die guten Leute sitzen angeblich alle in der ZKBS. Dazu hat dann der Regierungspräsident von Darmstadt gesagt, daß diese hochqualifizierte ZKBS nicht mal in der Lage sei, für ihre Entscheidungen vernünftige Begründungen zu schreiben. Die haben inzwischen das Gebahren des Papstes angenommen und reden nur noch ex cathedra.
Wird von dem Hearing ein echter Einfluß auf das Gen-Tech -Gesetz ausgehen?
In Einzelpunkten gibt es vielleicht Einflußmöglichkeiten. Stärkere Länderkompetenzen werden hier gemeinsam von Verbänden, Industrie und den Ländern eingeklagt. Und wenn der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsschutz mangelndes Sicherheitsniveau für Arbeitnehmer einklagt, dann wird ihm schon zugehört.
Interview: Manfred Kriener
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