: Weg vom Bettkanten-Journalismus!
■ In Bremen haben sich 10 „Freie“ zu einer „JournalistInnen-Etage“ zusammengefunden / Arbeiten und Wohnen trennen
Eigentlich ist sie purer Luxus, aber das spricht ja nicht dagegen: Zehn Bremer JournalistInnen und Fotografinnen, „Freie“, haben sich zusammengetan zur „JournalistInnen -Etage“ in einem Fedelhören-Altbau. Da ist es schön. Schön groß und hoch und weiß; Erkerfenster, Balkons. „Das ist aber keine Produktionsgemeinschaft hier, wir sind journalistisch eigenständig“, betonen sie alle, um jetzt nicht ein falsch einheitliches Markenzeichen verpaßt zu kriegen, die 5 Frauen und 5 Männer, anders: 2 Fotografin
nen und 8 Funk- und Print-JournalistInnen. Ihre Sendungen, Nachrichtenbeiträge, Reportagen, Zeitungs-Artikel und Bilder könnten sie eigentlich und preiswerter auch einzeln im Labor bzw. am häuslichen Schreibtisch zu Papier und Diskette bringen. „Ich wollte weg vom Bettkanten-Journalismus“, erklärte Günter Beyer der taz, „und Wohnen und Arbeiten trennen. Und ich will mir im Funk kein Schreibtischchen erobern, sondern lieber für verschiedene Sendeplätze arbeiten.“ Günter Beyer (38) und Gaby
Mayr (35, „frei aus Überzeugung“) haben die Etagen-Idee nach Kölner Vorbild Wirklichkeit werden lassen, KollegInnen gesucht und gefunden. Gaby Mayr, promovierte Ökonomin und seit 11 Jahren Journalistin, produziert zusammen mit Günter Beyer Funk-Beiträge oftmals in Team-Arbeit, die beiden wildern mit den Themen in den unterschiedlichsten Ressorts von Altlasten bis Afrika, arbeiten aber auch an getrennten Projekten.
Die Etagen-Gemeinschaft ist also kein journalistisches Kon
zept; Austausch, Schnack und Klatsch gibt es eher zufällig, auf dem Flur, im Cafe gegenüber, beim Mittagessen nebenan. Mit dabei sind auch zwei PreisträgerInnen: Helga Lampe, 45, übrigens Etagen-Finderin und Espresso-Maschinen-Inhaberin, produziert Funksendungen für verschiedene Sender, Hintergrund-Berichte, Portraits, features: „Ich will vor allem die Menschen selbst zu Wort kommen lassen!“ 1988 hat sie einen Medien-Preis für ihre Sendung über Liebe und Ängste von Kindern und Gewalt gegen sie bekommen. Ekkhard Stengel (34, moosgrüner Teppich, Holzmöbel) arbeitet für Zeitung und Hörfunk als „Aktueller“, als stets aktiver Nachrichtenreporter, hat schon 15 Jahre als Freier in Göttingen hinter sich und einen Preis „für engagierte soziale Berichterstattung“ kassiert.
Es gibt zwei Gemeinschaftszimmer: Katja Heddinga, 24, unvergessene taz-Fotografin, und Foto-Kollegin Almuth Bölitz, 38, teilen sich einen Raum in gelb-türkis und ein gemeinsames Labor. „Ich brauche diese Arbeitsatmosphäre um mich herum, ich will Themen mitkriegen, bei Recherchen mitfahren und nicht allein vor mich hinwurschteln“, sagt Katja Heddinga, während sie einen Globus (von mehreren) auf ihrem Schreibtisch zum Leuchten anknipst und dreht: „Ich liebe Globen!“ Dritter im Bunde und im Raum ist Michael Weisfeld, 42, Funkjournalist und (leider nur noch) ehemaliger tazler. Er macht aktuelle Nachrichtenreporte, aber auch Hintergrundberichte und Spezialthemen „über Wissenschaft, Seeleute und ferne Länder“. Gerade produziert er zusammen mit Godehard Weyerer, 31, eine Sendung über das
2. Schiffahrtsregister. Weyerer ist von Hause aus mehr auf Geschichtsthemen spezialisiert und sitzt unter riesigen Bücherregalen zusammen mit dem Exil-Chilenen Cristian Cortes - wenn der gerade im Lande ist und nicht zwischen Bremen und seiner Heimat pendelt. Eher nebenberuflich und deshalb seltener da ist Ulla Feldkamp, 37, derzeit Öffentlichkeitsarbeiterin in Bremerhaven.
Befragt, warum sie bereit sind, zusätzliche Miete und Wege in Kauf zu nehmen, sagen sie alle dasselbe: Es ist viel schöner, nicht so isoliert zu arbeiten, Austausch zu haben, sich gegenseitig auf Ideen zu bringen und auch Kontakte, Namen, Sendeplätze untereinander weitergeben zu können. Daß der eine einen Fotokopierer und einen Telefax-Anschluß hat, mitbenutzbar, ist fast nur am Rande wichtig. PCs und Anrufbeantworter stehen auf vielen Schreibtischen. Paradox: Fast alle finden es „schade, daß oft nur so wenige hier sind, es könnte noch mehr laufen!“ Die Stimmung ist gut.
Susanne Paa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen