: DDR: Kein Müllstopp
■ Senat ist erleichtert: DDR verhängt doch keinen einseitigen Importstopp für Giftmüll / DDR-Umweltminister: Es geht nur um „Reduzierung“ der Verkippung
Kein Stein, sondern ein ganzer Müllberg rollte dem Senat gestern vom Herzen. Der DDR-Importstopp für Sondermüll ist vorerst vom Tisch. Den Rückzieher gab gestern nachmittag DDR -Umweltminister Diederich (Bauernpartei) in einem Telefongespräch mit Betriebesenator Wagner (SPD) bekannt. Der DDR gehe es nur um eine „Reduzierung“ der nach Vorketzin gelieferten Sondermüllmengen, teilte Wagner nach dem fünfminütigen Telefonat mit. Der Senat reagierte - so Sprecher Kolhoff - „erleichtert“.
Auf Wunsch von Senator Wagner und Bürgermeister Momper hatte die Senatsfirma Berlin Consult (BC) noch am Donnerstag abend offiziell Protest bei ihrer DDR-Partnerfirma Intrac eingelegt. Gestern vormittag hatte Intrac-Generaldirektor Homann daraufhin über 'adn‘ eine „Klarstellung“ verbreiten lassen. Der DDR-Ministerrat habe, so beteuerte Homann, „keinen Beschluß zum Vertragsbruch gefaßt“. Die Intrac GmbH, die auf DDR-Seite die Müllgeschäfte abwickelt, sei lediglich mit „Verhandlungen“ beauftragt worden, erklärte auch Intrac -Sprecher Schumann gestern auf taz-Anfrage. Die Intrac sollte auf diesem Weg „erreichen“, daß die Deponie Vorketzin ab dem 1.Februar nicht mehr mit Westberliner Giftmüll beschickt wird.
BC-Mitarbeiter Thiemann beharrte demgegenüber auf Anfrage der taz gestern darauf, daß die Intrac ihm am Mittwoch den einseitigen Importstopp angekündigt habe. Von „Verhandlungen“ sei keine Rede gewesen.
Trotz des Rückziehers bleiben Annahmebeschränkungen für bestimmte Sonderabfälle, die die Berliner Stadtreinigung (BSR) auf Anordnung von AL-Umweltsenatorin Schreyer verhängt hatte, vorerst gültig. Auch die Umlenkung der Müllströme nach Westdeutschland werde „durchgezogen“, versicherte Schreyer-Referent Schwilling. 6.000 bis 7.000 Tonnen flüssige Abfälle sollen künftig in einer niedersächsischen Raffinerie aufbereitet werden; 4.000 Tonnen feste und schlammige Abfälle hofft Schwilling, auf der Deponie Hoheneggelsen (ebenfalls Niedersachsen) unterzubringen. Für 6.000 Tonnen - ein Fünftel der zur Zeit von der BSR gesammelten Jahresmenge - hat der Senat allerdings noch keine Alternative gefunden. Das sei immer noch „eine erhebliche Menge“, warnte man gestern bei der Berliner Stadtreinigung.
Bei den betroffenen Bürgern in Ketzin/DDR löste die lautstarke Empörung des Senats Unverständnis aus. Joachim Wendel von der Ketziner „Bürgerinitiative '89“ sprach sich gestern gegenüber der taz zwar dafür aus, die Giftmülltransporte nicht einseitig, sondern „im Einvernehmen mit West-Berlin“ zu stoppen; Wendel war aber auch erstaunt, daß der Senat auf diesen Schritt „nicht vorbereitet war“. Selbst bei der Berlin Consult wunderte man sich. „Ich verstehe im Augenblick nicht das Theater“, sagte Thiemann der taz. Schließlich sei schon seit Wochen bekannt gewesen, daß die DDR plante, Vorketzin bald für Sonderabfälle zu schließen.
Hans-Martin Tillack
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