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Und ewig schweigen die Sterne

■ Astronomen gegen Astrologen: Paderborner Tribunal bricht Lanze für die Wissenschaft / „Akademischen Tiefflug“ des obersten Sterndeuters hierzulande aufs Korn genommen

Ein grauer, bewölkter Himmel liegt über dem westfälischen Paderborn, Sitz einer verkauften Computerfirma und eines katholischen Bischofs. Es ist Samstag früh. Das Astrologietribunal tagt. Im Lehrerzimmer der Hauptschule Schloß Neuhaus ist ein Häufchen Sterngucker zusammengekommen, zu richten über die düstere Kunst der Sterndeuterei.

Denn die Astrologie beginnt sich - Kopernikus steh uns bei

-zunehmend in den Reihen der Naturwissenschaften breitzumachen. 1987 promovierte Peter Niehenke, Vorsitzender des Deutschen Astrologenbundes, an der Fakultät für Psychologie der Uni Bielefeld. Mittels eines umfangreichen Fragebogens wollte Niehenke wissenschaftlich klären, ob etwas dran ist an den Sternbildern, also ob Löwen wirklich selbstherrlich sind und Waagen tatsächlich ausgleichend. Auch wenn sie von Astrologie keine Ahnung haben. Ergebnis: negativ. Der Autor gesteht es freimütig, im vorletzten Kapitel seiner Arbeit. Dennoch beendet er die Dissertation selbstbewußt mit der Feststellung, er glaube trotzdem an Aszendenten, Horoskope und den Tierkreis.

Die wissenschaftlichen Gutachter der Uni Bielefeld schien das werbewirksame Glaubensbekenntnis des Sterndeuters nicht weiter zu beunruhigen. Sie bewerteten die Arbeit mit „gut“. Reinhard Wiechoczeck, Vorsitzender der Paderborner Volkssternwarte, war es vorbehalten, das Werk Anfang letzten Jahres als „akademischen Tiefflug“ zu bezeichnen. Als Dr. Niehenke daraufhin wegen Geschäftsschädigung vor Gericht ging, verlor er den Prozeß.

Von seinem Erfolg vor dem Kadi beflügelt, rief Wiechoczeck selbst zum Tribunal gegen die Astrologie auf. Neun Männer kamen: ein Verleger, ein Professor für Astronomie und sieben Amateurastronomen, „Volkssternwartler“, wie Wiechoczeck sich und seine Kollegen liebevoll bezeichnet. Das Urteil des Tribunals soll an die Kultusministerien der Bundesländer verschickt werden, auf daß an deutschen Universitäten künftig besser aufgepaßt werde.

Mit astrophysikalischer Akribie nehmen die neun Geschworenen die Dissertation Punkt für Punkt auseinander. „Der Autor“, liest Wiechoczeck aus einem vorbereiteten Papier vor, „benutzt die wissenschaftlichen Ausdrücke 'siderisches Jahr‘ und 'tropisches Jahr‘, ohne jedoch eine klare Vorstellung von der Bedeutung dieser Ausdrücke zu haben“. Die anderen schütteln milde lächelnd den Kopf, wie kann man nur.

Auch daß die Planeten die Sonne in Schwingungen versetzen, wie dies offenbar in der Doktorarbeit steht, scheint nicht den Gesetzen der Physik zu entsprechen. „Schwingungen“, doziert Professor Schlosser von der Uni Bochum, „ist immer eins durch Wurzel Rho“. Gewichtiges Nicken. Nicht zwölf Tierkreiszeichen gibt es (wie die Astrologen behaupten), sondern dreizehn. „Und hier schreibt er noch etwas von 'elektromagnetischen Strahlen, die wesentlich für biologische Prozesse sind‘. Was für Strahlen? Da erwartet man doch als Physiker mindestens eine Frequenzangabe!“

Das Tribunal ist sich einig: Astrologie ist keine Naturwissenschaft. Die Sterne schweigen. Wie immer.

Marin Viertel

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