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MARCIA PALLY

 ■  Short Stories from America: Undercover an der Donau

Die New Yorker Journalistin Marcia Pally ist Filmkritikerin des amerikanischen 'Penthouse‘. Sie schreibt unter anderem für die 'New York Times‘, 'Taxi‘, 'The Nation‘ und einmal im Monat für die taz.

Kaum hat die Sowjetunion in Gebieten wie Bulgarien oder Aserbaidschan den Knebel gelockert, brechen Nationalitätenkonflikte aus. Viele machen sich Sorgen: Sind die entstehenden Demokratien und die Stabilität Europas bedroht? Aber ich denke, da gibt es auch eine Kehrseite: offene Stellen für arbeitslose CIA-Mitarbeiter. Denn, so großartig Gorbatschow ist, schließlich hat der Bursche viele gute Leute um ihren Job gebracht.

Nicht daß die CIA keine Drogen mehr zu verkaufen hätte die Panama-Connection ist momentan zwar ein wenig angespannt, aber es gibt ja noch mehr Drogenländer. Nur sind die Männer nicht mehr wie früher mit ganzem Herzen dabei. Um ehrlich zu sein, die Moral ist fürchterlich. Betrachten wir das Ganze einmal aus der Sicht der panamaischen Zweigstelle. Da wurde ein Bursche jahrelang trainiert und aufgebaut, und dann braucht das Weiße Haus ein bißchen Publicity, und der Mann ist plötzlich out. Schlimmer noch, Washingtoner Beamte kritisierten öffentlich (zum Beispiel in der 'New York Times‘) die Wirkungslosigkeit der CIA, und das in Ländern, wo die CIA-Praktiken einschlägig bekannt sind. Angesichts dieser Aufforderung zu massiven Entlassungen kann ich es den Agenten nicht verübeln, wenn sie zu besonderen Maßnahmen greifen.

Darum war ich so erfreut über den Spendenaufruf der Social Services for the Aging Agent (SSAA). Der Werbetext war wirklich rührend: „John Knete arbeitete 20 lange Jahre für denselben Arbeitgeber; er hat schwere Taschen von Miami nach Medellin geschleppt und noch schwerere Taschen aus dem Iran nach Honduras. In überfüllten Klassenzimmern erteilte er Unterricht in klassischen Foltermethoden; unermüdlich jagte er Sozialarbeiter, Kaffeepflücker und Nonnen - ohne sich je über Langeweile oder Rückenschmerzen zu beklagen. Alles für Sie und die Sicherheit Ihrer Familie. Nun ist John arbeitslos. Die SSAA wollen helfen. Mit Ihren Dollars sichern Sie die Unterstützung jener Familien, denen, nachdem sie jahrelang auf Staatskosten von Dienstboten betreut wurden, Waschmaschine und Mikrowellenherd nicht zuzumuten sind. Die SSAA bieten Umschulungen und Betätigungsfelder für Männer mit Johns besonderen Fähigkeiten. John hat jahrelang für Ihre Zukunft gearbeitet, wollen Sie jetzt nicht das gleiche für ihn tun?“

Zu den Leistungen, die die SSAA anbieten, gehört eine Liste mit Stellenangeboten, die in allen örtlichen Büros und durch Rundschreiben verbreitet wird. Als vor ein paar Wochen die Gerichtsverhandlung gegen Noriega in die Gänge kam, gab es zum Beispiel einen Haufen freier Stellen in der Papierzerkleinerungsabteilung der zentralamerikanischen CIA. Aber wie ich höre, haben persönliche Freunde Bushs aus alten CIA-Tagen die Posten bekommen. Das erschwerte die Jobsuche für die früheren Mitarbeiter der CIA in El Salvador, die nach den Morden an den Jesuitenpriestern geopfert wurden. (Offensichtlich hat niemand registriert, wie die Angelegenheit in die Presse kam. Denn als die Zeitungen behaupteten, daß Offiziere der US-Armee im voraus von dem Massaker gewußt hätten, begann man in der Chefetage der CIA bereits nach einer neuen Truppe für El Salvador Ausschau zu halten.) Da bleibt der ehemaligen salvadorianischen Gang nichts anderes übrig, als die Anzeigen mit Stellenangeboten zu studieren. Es sei denn, sie würden Bushs Leute, die zum Reißwolf übergelaufen sind, einfach ersetzen.

Nach Verlautbarungen der SSAA wird es in der Presseabteilung der CIA eine Menge offener Stellen geben. Es ist mir klar, daß da Leute gebraucht werden; nicht nur weil die Beteiligung der Armee an den Jesuitenmorden herauskam, sondern auch weil Bush am Neujahrsabend auf den Titelseiten amerikanischer Zeitungen zugab, daß die US-Armee bei der Plünderung der nikaraguanischen Botschaft in Panama etwas verkorkst hatte. Ich möchte wetten, Bush war sauer. In neueren Berichten wurden die militärischen Operationen in Panama noch ausführlicher kritisiert. Zu den bescheidenen Kritikpunkten gehörte, daß der massive Einsatz die Zahl der Toten in Armee und Zivilbevölkerung erhöhte und noch dazu Noriega in Alarmbereitschaft versetzt und ihm die Flucht ermöglicht habe. Es habe jedoch keinen Plan gegeben, wie der Widerstand der Panamaer zu brechen oder die Gefangenahme von Geiseln zu vereiteln sei; und, wie die 'Times‘ schrieb: „Außer daß in einigen Fällen Fallschirmtruppen über falschen Gebieten abgeworfen wurden, ging die Operation glatt über die Bühne.“

Schlimmer noch waren die unzähligen Artikel, die enthüllten, daß die Amerikaner keine Geheimdokumente fanden, um die Anklage gegen Noriega zu untermauern. Es ging durch die gesamte Presse, daß die Armee das Haus des päpstlichen Nuntius mit Rock'n Roll bombardierte, um Noriega auszuräuchern. Die Behauptung der Armee, sie hätte einen Israeli gefangengenommen, der Noriega zu Hilfe eilen wollte, wurde stolz auf den Titelseiten verbreitet und entpuppte sich als Irrtum. Und stellen Sie sich Bush vor, als ruchbar wurde, daß er während der Plünderungsaktion in Houston beim Golfspielen war. Ich glaube, er sagte: „Wer ist denn eigentlich für diese PR-Sachen verantwortlich?“

Dennoch: Die PR-Jobs bei der CIA sind trotz solcher Feinheiten immer noch bequemer als die Stellen in Automobilfabriken, die jetzt in der CSSR nach der Amnestie für die politischen Gefangenen freigeworden sind. Die Arbeit unter Autoböden ist nicht so spektakulär wie die Arbeit unter Tarnung. Aber machen wir uns nichts vor: Diese PR -Aktionen werden nicht ewig dauern. Womit ich auf Osteuropa zurückkomme. Dort gibt es überhaupt den sichersten Arbeitsmarkt. Sowohl der türkischen Minderheit, die unter der Ausgrenzung durch die bulgarische Mehrheit leidet als auch den Bulgaren selbst sind die Jobs für eine Weile sicher - der Streit ist jahrhundertealt und wird wohl noch ein bißchen dauern. Die Arbeitsplätze für Armenier scheinen ebenfalls gesichert, da Gorbatschow sich unwillig zeigt, die Provinz völlig aufzugeben. Wie ich höre, bewerben sich auch die rumänischen Ungarn um offene Stellen; wenn sie sich beeilen, können sie sich als Agenten an der Destabilisation von Albanien beteiligen. Aber der Geheimagent, der wirklich für die Zukunft vorsorgen will, sollte die Stellenanzeigen des Verbandes der Heimatvertriebenen studieren. Das ist nur ein kleiner Laden, aber er ist sauber. Vor ein paar Monaten haben sie Herrn Kohl mit „Schlesien wird uns gehören!“ begrüßt. Das zeigt, daß ihre Pläne ernstgemeint und langfristig sind. Was die Sicherheit des Arbeitsplatzes betrifft, bedenken Sie, daß die Gründungslegende der Gesellschaft bis 1937 zurückreicht. Aus dem Amerikanischen

von Michaela Lechne

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