: Wer schwul ist, bestimmt die Behörde
■ Pakistani soll abgeschoben werden, weil die Ausländerbehörde sein Schwulsein nicht als Asylgrund akzeptiert / In der Heimat droht dem Mann ein Strafverfahren
Der pakistanische Asylbewerber Ziaullah Q. (30) wird möglicherweise vom Senat in sein Heimatland abgeschoben, obwohl ihm dort ein Strafverfahren und eine Haftstrafe wegen Homosexualität drohen. In Pakistan, wo islamisches und weltliches Recht gelten, liegt gegen ihn seit Sommer 1989 ein Haftbefehl wegen „homosexueller Handlungen“ vor.
Wie Q.'s Anwalt Dirk Siegfried mitteilte, ist eine Äußerungsfrist der Ausländerbehörde zur Möglichkeit der Ausreise in ein Drittland gestern abgelaufen. Bisher habe sich kein Land gefunden, das bereit sei, Q. aufzunehmen.
Ziaullah Q. droht die Abschiebung, weil die Ausländerbehörde ihm seine Homosexualität nicht glaubt. Außerdem fällt Homosexualität nach Auffassung der Ausländerbehörde nicht unter die „geschlechtsspezifische Verfolgung“, bei der nach der Flüchtlingsweisung von Innensenator Pätzold eine Abschiebung nicht erlaubt ist. Die Weisung vom Juni 1989 räumt abgelehnten Asylbewerbern, die länger als fünf Jahre in Berlin leben und Ausländern ohne Rückkehrmöglichkeit ein Aufenthaltsrecht ein.
Q. hatte erst zu einem sehr späten Zeitpunkt in der Abschiebehaft einem Gefängnispfarrer sein Schwulsein offenbart und dies dann als Asylgrund angeführt. Laut Q.'s Anwalt zweifelt die Ausländerbehörde dessen Homosexualität auch deshalb an, weil er mit einer Frau liiert war und einen Sohn hat. Verwaltungs- und Oberverwaltunggericht lehnten den Asylantrag des Pakistani ab, auch der „vorläufige Rechtsschutz“, der den weiteren Aufenthalt ermöglicht, wurde verwehrt. Q.'s Aussagen seien „schlechthin unglaubwürdig“.
Der offen schwule AL-Abgeordnete Albert Eckert und der Mitarbeiter des Senatsreferats für „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen“, Stefan Reiss, äußerten sich gestern empört über das Verhalten der Ausländerbehörde. Laut Eckert ist es kein Wunder, „wenn jemand, der in seinem Heimatland wegen seines Schwulseins verfolgt wird und dies folglich nicht zeigen darf, dies auch im Asylverfahren erst spät tut“.
Eckert wies daraufhin, daß in der Regierungserklärung von Bürgermeister Momper auf die Rechte von Lesben und Schwulen ausdrücklich hingewiesen worden sei. Eckert: „Wer wegen seines Schwulseins verfolgt wird, darf von einem rot-grünen Senat nicht abgeschoben werden“. Auch Stefan Reiss von der „gleichgeschlechtlichen Behörde“ forderte, daß „Homosexualität Asylgrund sein muß“.
Der Sprecher der Innenbehörde, Werner Thronicker, erklärte gestern auf taz-Nachfrage, daß gegen Q. keine „akute“ Abschiebung drohe. Das weitere Verfahren im Fall Q. sei „noch nicht klar“.
kotte
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