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15. Universitäts-Partnerin: Rostock

■ Gestern wurde Kooperationsvertrag unterschrieben / Rostocks Uni bereitet sich auf Einheit vor

In Bremens Partnerstadt Rostock liegt die Universität nicht abseits in der Vorstadtbrache, sondern „altehrwürdig“ mitten in der Stadt. Die „Alma Mater Rostochiensis“, wie sie noch in feierlichem Latein heißt, kann für sich in Anspruch nehmen, die älteste Universität im Ostseeraum zu sein. Historisches Gründungsdatum ist 1419.

Gestern weilte der Rostocker Rektor (.s.S.21) auf seiner ersten BRD-Reise in Bremen und unterschrieb einen Kooperationsvertrag mit der Bremer Universität. Er sei dabei, die Rostocker Uni so umzugestalten, daß sie in einem „vereinigten Deutschland und in einem gemeinsamen Europa“ Schritt halten könne, erklärte er. Außer den autoritären Strukturen sollen in Rostock auch steife akademische Anredeformen abgeschafft werden - denn der Rektor heißt bisher noch „Magnifizienz“ und die Fachbereichssprecherin „Spektabilität“.

Die Universität Rostock hat 6.500 Studierende - und über 7.000 MitarbeiterInnen, dazu zählt vor allem medizinisches Personal in den Universitätskliniken. Auf die „weltbekannte Innere Medizin“ ist der Rektor besonders stolz, denn hier wurde

das erste künstliche Herz der DDR entwickelt. Auf die WirtschaftswissenschaftlerInnen dagegen ist er angesichts der maroden DDR-Wirtschaft nicht gut zu sprechen. Studieren kann frau und mann in Rostock außerdem u.a. Mathematik und Chemie, Technische Elektronik und Schiffstechnik, Landwirtschaft und evangelische Theologie, Lateinamerikawissenschaften und Psychologie. Zwischenzeitlich abgeschafft wurde die Rechtswissenschaft, eine Disziplin, die nach der Wende wiederentdeckt

wird.

1976 wurde die Rostocker Uni, im Andenken an den ersten Präseidenten der DDR, in Wilhelm-Pieck-Universität unbenannt. Ein früherer Umbenennungsversuch, gleich nach Piecks Tod war noch gescheitert, denn die SED hatte den Beschluß gefaßt, ohne die brüskierte Universität zu fragen. In den nächsten Monaten soll eine Urabstimmung über den Namen der Universität neu entscheiden. Außerdem werden Studieninhalte neu formuliert und an westeuropäische Standards angepaßt. Die

Studierenden schufen sich einen basisdemokratischen „Studentenrat“. Der Rektor, bis vor kurzem SED-Mitglied: „Die FDJ ist aus der Universität heraus.“ Jetzt beanspruchen die Studierenden 25 % der Sitze in den Uni-Gremien. Bisher stehen ihnen nur 5 %zu. Rektor Klaus Plötner: „Das ist bei uns genau wie bei Ihnen 1968“. Er hat sich Universitätsverfassungen zahlreicher westdeutscher Universitäten besorgt, auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur paritätischen Besetzung von Hochschulgremien. Dieses Urteil spielt in den Rostocker Debatten eine gewichtige Rolle, soll die neue Ost-Uni -Verfassung doch in einem vereinigten Deutschland Bestand haben.

Den Austausch von Studierenden stellt er sich „ganz unkompliziert“ vor, da brauche man keine Ministerien mehr einzuschalten. Bremer LiteraturwissenschaftlerInnen überlegen bereits, ob sie nicht „Patenschaften“ für Rostocker Studierende vermitteln könnten. Bremen StudentInnen sollen dann Rostocker KommilitonInnen bei sich aufnehmen und die Kosten aus Landes- oder Bundesmitteln erstattet kriegen.

B.D.

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