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Rabta: Viel Flamme - wenig Licht

■ Wer oder was in der libyschen Giftgasfabrik gezündelt hat, ist nach wie vor unklar / Auch Unfall wäre möglich / Bonn, Israel und die USA weisen alle Verdächtigungen von sich / Fabrik offenbar schwer beschädigt

Basel (taz) - Selbst wenn der Schuppen lichterloh in Flammen steht - was im libyschen Rabta wirklich los ist, bleibt wie üblich im dunkeln. Führte Sabotage oder ein Unfall zum Brand in der mit westdeutscher Hilfe gebauten Giftgasfabrik? Auch gestern ließ die Nachrichtenlage keine schlüssige Antwort zu. In Bonn wies der Sprecher des Außenministeriums, Jürgen Chrobog, libysche Verdächtigungen zurück, womöglich habe der Bundesnachrichtendienst mitgezündelt. Fest steht, daß am Mittwoch in der etwas abseits gelegenen Chemieanlage des „Technological Center Rabta“ ein Feuer ausbrach, bei dem nach offiziellen libyschen Angaben mindestens zwei Menschen getötet wurden. Der Pressesprecher der libyschen UNO-Mission in New York bestätigte solche Informationen der US-Regierung und sprach von Sabotage.

Die Angaben über das Ausmaß des Schadens sind widersprüchlich: Während die US-Fernsehstation ABC verbreitete, die Fabrik sei bis auf die Grundmauern niedergebrannt, berichtete der britische Radiosender BBC, einige Installationen im Werk hätten Feuer gefangen, das Gebäude sei jedoch nicht beschädigt. Bis auf das Fundament kann das Werk kaum abgebrannt sein. Schließlich besteht es nicht aus Sperrholz, sondern aus einer massiven Stahlkonstruktion, die eine DDR-Firma erstellte. Unklar ist auch, ob Chemikalien, sowohl Grund- wie Kampfstoffe, mit verbrannt sind. Nach Einschätzung von US-Experten hat der Brand die Chemieanlage jedenfalls soweit zerstört, daß sie nicht ohne ausländische Hilfe repariert werden kann.

Denkbar wäre ein Unfall schon angesichts der Probleme, die die libyschen Betreiber nach Geheimdienstinformationen beim Betrieb der Anlage haben. Es mangelt sowohl an wichtigen Komponenten für die Prozeßsteuerung als auch an qualifiziertem Personal. Bereits im Sommer 1988 kam es in Rabta zu einem folgenschweren Montageunfall. US -Geheimdienstler hörten damals den Hilferuf der libyschen Bauherren an die Firma Imhausen im südbadischen Lahr ab.

Für einen gezielten Sabotageakt spricht allerdings vor allem das termingerechte Lodern des Feuers: Erst in der vergangenen Woche hatte US-Regierungssprecher Marlin Fitzwater erklärt: „Rabta ist gefährlich und wird mit jedem Tag gefährlicher“, und hatte eine militärische Attacke gegen die eine Autostunde südlich von Tripolis gelegene Anlage ausdrücklich „nicht Fortsetzung auf Seite 4

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ausschließen“ wollen. Verwunderlich wäre es also nicht, wenn sich Washington jetzt zu einer Neuauflage seiner Bombenattacke vom April 1986 auf Tripolis und Bengasi dieses Mal eben mit subversiven Mitteln - entschlossen hätte.

Neben den USA beschuldigen libysche Offizielle auch den israelischen Geheimdienst Mossad der Sabotage, vor dessen verdeckten Operationen in Libyen allgemein größere Angst umgeht als vor offenen Militärschlägen. Sowohl Israel wie die USA streiten offiziell jedoch jede Beteiligung an dem Brand ab. Mehr als den tatsächlichen Schaden durch Sabotageanschläge oder militärische Interventionen fürchtet die Regierung in Tripolis eine durch solche

Aktionen ausgelöste innenpolitische Destabilisierung: Als US -Bomber im Frühling 1986 Tripolis und Bengasi bombardierten, zerrissen die Kämpfer der Revolutionskomitees als erste ihre Pässe und flüchteten vor der vermeintlichen Invasion in die Berge.

Für einen Sabotageakt müßten allerdings ortskundige Spezialisten direkt in die Chemiefabrik eingeschleust worden oder als Maulwürfe dort bereits „geparkt“ gewesen sein. Das fragliche Gebäude ist neben Zäunen von meterhohen Erdwällen umgeben und wird vom Militär scharf bewacht.

Die libysche Regierung will auch untersuchen, ob der Bundesnachrichtendienst in das dubiose Feuerwerk in Rabta verwickelt ist. Angesichts des Nachrichtenchaos‘, mit dem der BND bisher in der ganzen Rabta-Affäre glänzte, ist den Dun

kelmännern von Pullach eine solche Operation allerdings kaum zuzutrauen. AA-Sprecher Chrobog wollte denn auch Gaddafis verbales Gepolter, im Falle einer Bestätigung werde „die wirtschaftliche Präsenz der BRD in Libyen ein Ende haben“, nicht als Drohung verstanden wissen.

Thomas Scheuer

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