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LIEBER MIT FREUNDEN

■ Filme von HdK-StudentInnen im Arsenal

Auch wenn letztes Jahr im Streik die Wünsche der Studenten laut und vernehmlich artikuliert wurden: an der Kunsthochschule blieben sie weitgehend unerfüllt, gingen unter im Apparat. „Wie vorher beschränkt sich der Unterricht hier auf die Vermittlung des Gediegen-Formalen“, so beschreibt eine Studentin die Lage, abgeklärt-resigniert. Ein Kommilitone erzählt, daß er fast gar nichts in der Schule mache, „weil politisch an der HdK so wenig läuft“. Statt dessen arbeite er „lieber mit Freunden“. Dieser Rückzug geht Hand in Hand mit der konservativen Politik im sogenannten Fachbereich I, in dem die Freien/Bildenden Künstler ihre Diplome erhalten. Zwar soll demnächst ein Fotolabor eingerichtet werden, aber damit haben sich die reproduzierbaren Künste im HdK-Betrieb noch lange nicht neben der Malerei oder Bildhauerei etabliert.

Wenn in diesem Rahmen eine Lehrveranstaltung mit dem Titel Film als Kunst angeboten wird, verwundert es nicht, wenn sie von den Studenten fast als Untergrundaktivität wahrgenommen wird. Produktionsmittel gibt es nicht, weder Kameras noch Filmmaterial stehen zur Verfügung. Aber man improvisierte, half sich gegenseitig mit Super-8-Equipment aus und bezahlte die Filmkassetten eben selbst. Nach zwei Semestern ließ sich ein abendfüllendes Auswahlprogramm, bestehend aus 13 kurzen Filmen zusammenstellen, das nun im Arsenal uraufgeführt wird. Die meisten der Autoren sind/waren Maler oder Bildhauer. In den Filmen ist trotzdem kein modisches Dilettieren mit Trends zu spüren. Eine Studentin aus Israel sagt, für sie persönlich sei diese Art des Filmemachens auch eine Flucht von der stark marktorientierten Malerei. Gemeinsam ist den einzelnen Arbeiten des Programms allein die Suche nach einer individuellen Bildersprache, die Film weder mit Videoclips noch mit Theater verwechselt. Sie einer „Schule“ im Sinne einer kollektiven Ästhetik zuzuordnen, wäre falsch und spräche den sehr unterschiedlichen Filmen ihre sympathische Ehrlichkeit ab.

Richard Schütz‘ Film Im Augenblick zeichnet sich durch eine besonders strenge Komposition aus, die durch Zwischentitel allerdings etwas von ihrer Selbstverständlichkeit verliert. In dem auf 16mm aufgeblasenen Film verringert sich der Sicherheitsabstand zwischen Auge und Kamera gegen unendlich, aus der Abbildung des Sehorgans entwickelt sich ein organisches Wirbeln der Eiweißmoleküle auf der Celluloidoberfläche. Wie ein chemischer Prozeß zwischen zwei Elementen, die in der realen Welt zur ewigen Trennung verurteilt sind. Drei Sätze heißt der Film von Yael Bedarshi und erkundet mit fast mikroskopischem Voyeurismus die Sphäre, wo Buchstaben und Papier ihre oberflächlich-aseptische Neutralität auflösen. Zu sehen sind abgefilmte Sätze aus Buchstabenzeichen, deren theoretisch bedeutsames Eigenleben in unkomplizierter Schönheit visualisiert wird. Mehr dokumentarisch arbeiten Kirstin Wegeland-Krog und Rüdiger Lange. Ihre Filme Execution und Heißt Hinrichtung Tod? die ersten eines zehnteiligen Zyklus, benutzen den wandernden Bildstrich in abgefilmten TV-Szenen als wichtigstes Stilmittel. Das meistens unsichtbare Flackern des Fernsehmonitors entdecken die beiden Filmemacher als süchtig machenden Reiz, als unerfüllbaren Wunsch, immer genauer hinsehen zu wollen - besonders in Szenen abgefilmt -authentischer Gewalt. Der Film Kanal von Christiane Büchner sieht auf Stadtfassaden mit dem Blick der Bildhauerin. In einem fast andächtigen Tempo gerät die Statik der Gebäude in Bewegung und verbreitet die eigentümliche Atmosphäre steinerner, sich bewegender Skulpturen. Karola Schlegelmilch benutzt die Kamera souverän weiblich, besonders in dem abstrakt-anspielungsreichen Porträt ihrer Mutter Retroflektion. Es gelingt ihr, ohne Verrat zwischen der Perlenkette, dem Faltenwurf des Halses und den gebürsteten Teppichfransen eine vielsagend wortlose Korrespondenz zu entdecken.

Ein Filmprogramm wie eine Pralinenmischung: reizvoll und genießbar, auch wenn einzelne nicht so gut schmecken.

Dorothee Wenner

Heute um 20 Uhr im Arsenal.

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