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„Geschichte ist nicht zu bewältigen“

Gutwillige Neugierde war spürbar, als der DDR -Ministerpräsident in den Saal des Ostberliner „Palast -Hotels“ schritt, in den er die Repräsentanten des Jüdischen Weltkongresses eingeladen hatte. Viele alte, ausdrucksstarke Gesichter. Das vielsprachige Gemurmel erstarb, als de Maiziere zu seiner Rede ansetzte, die nicht nur gut ankam, sondern auch radikaler die Unfähigkeit zu Trauer und Scham anging, als man dies von westdeutschen Betroffenheitsreden gewöhnt ist.

Denn für den CDU-Politiker ist „Geschichte nicht zu bewältigen, sondern nur ehrlich und wahrhaftig zu leben, sich von ihr mahnen zu lassen“. Auch die „Wiedergutmachung“ an den Opfern, wie sie in der DDR jahrelang verweigert und nun von der neuen Volkskammer in Aussicht gestellt wurde, sei „notwendig“ und moralisch doch „unmöglich“. „Geschichte wurde weggeschwiegen“, spielte de Maiziere auf frühere SED -Gepflogenheiten an. „Geschichte wegzuwerfen oder sie zu verklären, sind beides Haltungen der Lernverweigerung.“

Selbstredend erinnerte der Ministerpräsident auch an den 8. Mai: „Vor 45 Jahren endete der verbrecherische Versuch, die Juden aus der Geschichte heraustöten zu wollen.“ Die Juden hätten die deutsche Geschichte in unverwechselbarer Weise mitgeprägt, ihre Ermordung habe auch einen „einmaligen intellektuellen Kahlschlag“ zur Folge gehabt. Deutschland gebe es nur mit den Juden, und kein Deutscher werde frei sein, solange die Juden nicht in ihren Rechten stünden.

De Maizieres Konsequenz: ein „intensiver Jugendaustausch zwischen der DDR und Israel“ sei nachgerade „dringend“. Und er wünsche sich das vereinte Deutschland als „gastfreundliches Land für Ausländer“, in dem Solidarität und multikulturelle Vielfalt herrschten.

Edgar Bronfmans Antwortansprache wirkte hingegen durch und durch getränkt vom US-amerikanischen Demokratieverständnis um es milde zu formulieren. „Das schlimmste“ in der Geschichte „war nicht der Holocaust“, befand der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, „sondern der Verlust der Demokratie“. Und: „Genug von der Vergangenheit, wir müssen jetzt in die Zukunft schauen.“

Ute Scheub

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