: Gut getarnte RAF-Agenten
■ Hinweise auf gesuchte RAF-Mitglieder gab es seit Mitte der 80er Jahre / Sie waren angeblich hervorragend von der Stasi abgedeckt
Berlin (taz/dpa) - Hinweise auf den Aufenthalt von RAF -Mitgliedern in der DDR soll es bereits Mitte der 80er Jahre gegeben haben. So hieß es gestern am Rand der geheimen Sitzung des Bonner Innenausschusses. Die Gesuchten sollen von DDR-BesucherInnen öfters erkannt worden sein. Anschließend habe es vielfältige Bemühungen gegeben, mit den zuständigen DDR-Behörden in Kontakt zu treten. Selbst der frühere Staatsratsvorsitzende Erich Honecker soll seinerzeit bei seinem Besuch in Bonn mit dem Thema konfrontiert worden sein - er soll nicht reagiert haben. Ein öffentlicher Vorstoß sei damals unterblieben, weil man sich im Falle einer Klimaverbesserung zwischen Ost und West den Zugriff auf die Gesuchten nicht verbauen wollte.
Der Sprecher des Innenministeriums, Detlef Dauke, fand eine andere Sprachregelung: Die Stasi hätte die RAF-Mitglieder ungemein professionell getarnt und damit weitere Nachforschungen unmöglich gemacht. Der innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Johannes Gerster, will nun geklärt haben, aus welchem Grund die mutmaßlichen RAF-Leute in der DDR aufgenommen wurden. Gefragt werden müsse, ob schon „vor den Anschlägen ein Einvernehmen“ mit der Stasi bestanden habe. Er behauptete gestern, daß die international Gesuchten in der DDR sogar Privilegien genossen hätten. Wo er am Beispiel Susanne Albrechts, die von den bundesdeutschen Behörden des öfteren in Damaskus gesichtet wurde, ein Reiseprivileg erkannte, sprechen andere Sicherheitsexperten von perfekter Tarnung: Der Eindruck sei erweckt worden, die RAF-Mitglieder hätten sich im Nahen Osten zur Ruhe gesetzt.
Aus dem Tenor der Erfolgsmeldungen brach gestern als einziger der Bundesvorstandssprecher der Grünen, Hans -Christian Ströbele, aus. Er regte im Hinblick auf die vier am Donnerstag Festgenommenen an, die in der DDR lebenden ehemaligen Terroristen „dazulassen, wo sie sind“. Die jetzige Fahndung sei deshalb „inkonsequent“, weil sie der früheren Absicht der Sicherheitsbehörden zuwider laufe, daß RAF-Aussteiger „irgendwo ein gesichertes Leben führen können“. Der Präsident des Kölner Verfassungsschutzes soll gestern auch erklärt haben, die „Austeigerprogramme“ seien gerade auch im Hinblick auf die möglicherweise in der DDR lebenden früheren RAF-Mitglieder entwickelt worden.
wg.
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