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Querbeet gelesen

von Uwe Birnstein  ■  Publizistik & Kunst

„Meine Handschrift hat sich verschlechtert.“ Eine Folge des Umstiegs eines Autors von der Schreibmaschine auf den Personal-Computer. In Publizistik & Kunst (Heft 4/90) ist nachzulesen, wie der geliebte PC das Schreiben verändert. Ralph Lütjen, Dortmunder Journalistik-Absolvent, interviewte UmsteigerInnen, analysiert und zieht Bilanz. Dabei kommt heraus: Die AutorInnen beurteilen das Arbeiten mit dem PC durchweg als positiv und arbeitserleichternd. Erst beim näheren Nachfragen kommen die Schwierigkeiten mit dem neuen High-Tech-Kollegen zum Vorschein: die Angst vor dem Verlust der unsichtbar gespeicherten Texte beispielsweise. Der PC fördert außerdem die Disziplinlosigkeit beim Schreiben, was sich wiederum negativ auf die Qualität der Texte auswirkt. Denn wer sich mit der weit verbreiteten „Ich-brauch's-ja-nur-zu-löschen„ -Mentalität an den Bildschirm setzt, hat in der Regel seine Texte nicht vorher gegliedert oder handschriftlich notiert, so wie es in der guten alten Schreibmaschinenzeit noch Sitte war. Selbst die Fähigkeit, Sätze zu formulieren, bevor man/frau sie schreibt, geht bei PC-BenutzerInnen nach einer Weile baden. Ein Befragter: „Statt im Kopf einen einigermaßen fertigen Satz zusammenzubauen und ihn dann in die Maschine zu hacken, schreibe ich erstmal drauf los, baue dann um, lösche oder füge ein, bis mir der Satz gefällt.“

Ralph Lütjen räumt auch den Mythos beiseite, das Arbeiten am PC bringe Zeitvorteile mit sich. Denn die Ansprüche an die vom Drucker ausgespuckten Manuskripte wachsen. „Schon verlangen einzelne Verlage perfekte Druckvorlagen“, klagt ein Autor. Die Zeit, die beim Korrigieren auf dem Bildschirm gespart wird, wird oft in Layout-Programmierung investiert. Außerdem steigt der Streß durch die Interaktion mit dem PC. Lütjen: „Die unverzüglichen Reaktionen eines Computers auf Anweisungen können dem Benutzer das Gefühl geben, genauso unverzüglich reagieren zu müssen: Eine innere Rationalisierung wird ausgelöst.“

Neben interessanten Erfahrungen bringt der Beitrag ebensolche Analysen, zum Beispiuel zu den Auswirkungen des Wandels vom handgeschriebenen Manuskript hin zum bildschirmerfaßten „Videoskript“, bei dem der Text den Charakter „steter Vorläufigkeit“ bekommt. „Papier mag geduldig sein, die Mattscheibe ist es erst recht!“ medium

„Wieviel Objektivität können wir uns leisten?“ Unter diesem Titel hinterfragt medium (Heft 1/90) den bundesdeutschen Umwelt- und Wissenschaftsjournalismus. Um den ist es nämlich in hiesigen Redaktionsstuben schlecht bestellt. Bei nur fünf ARD-Fernsehanstalten existieren eigene Ressorts: Unter den 500 RedakteurInnen der großen Nachrichtenagenturen befinden sich ganze zwei Wissenschaftsjournalisten. Fakten, die medium-Macher Horst Pöttker zum Resumee veranlassen: „Der Wissenschaftsjournalismus fristet, wo es ihn überhaupt gibt, ein Schattendasein als Ghetto-Ressort. In der Redaktionspraxis von Tageszeitungen und Rundfunk sind Wissenschaftsjournalisten Außenseiter: Gering an Zahl, oft in Ein-Personen-Ressorts isoliert, wirken sie wie anachronistische Relikte aus den vorindustriellen Anfängen der Presse.“

Als ehemaliger Redakteur der Dritte-Welt-Zeitschrift iz3w weiß Pöttker, daß nicht nur die Statistik dem Wissenschaftsjournalismus ein „Ungenügend“ gibt. Denn allzu oft sind die VertreterInnen dieses Fachs dazu verdammt, beliebige, interessant klingende Forschungsergebnisse für ein einfaches Lesepublikum journalistisch aufzuarbeiten. Berichte im Reader's Digest-Stil, die dem Bildungsbürger imponieren: Paarungsgebaren der Waldameisen, schwarze Löcher jenseits des Weltalls und spektakuläre Ergebnisse aus gentechnologischen Labors. Auch der jüngst entstandene „ökologische Medienrummel“ entspricht nicht dem Bild des Wissenschaftsjournalismus, das medium sich wünscht: „Der Öko-Tip des Tages, der Schadstoff der Woche, der Produkt -Text des Monats und die vom Aussterben bedrohte Wildtierart des Jahres: Das paßt zur Oberflächlichkeit der elektronischen Medien, die dem Publikum unangenehme Wahrheiten allenfalls minuten- und häppchenweise zumuten zu dürfen meinen und die allemal einen sensationellen Anlaß dafür brauchen.“

So beklagenswert die Analyse ist, so konstruktiv sind die Vorschläge für einen guten Wissenschaftsjournalismus. Gegen dessen Wertfreiheit spricht sich Robert Jungk aus. Vielmehr müßte er Wertmaßstäbe an Forschungen anlegen, die den möglichen Nutzen oder Schaden wissenschaftlicher Erkenntnisse mitdenken. Als gestandener Vertreter der Zunft weiß Jungk um die Schwierigkeit dieses Unterfangens: „Eine solche Betrachtungsweise wird von manchem beleidigten Hohepriester des Wissenschaftsdogmatismus als 'unsachlich‘ verketzert. Als ob es da um Sachen ginge und nicht um bedrohtes Leben. In Wahrheit wird durch den kritischen Wissenschaftsberichterstatter seit Jahren schon genau jener schmerzende Nerv getroffen, der aus einem Projekt der Weiterung, Vertiefung und Erhöhung menschlicher Möglichkeiten ein immer quälenderes, von Todesvorstellungen überschattetes Leiden machte.“ MediumMagazin

Der „rote“ Mohn? Keineswegs. „Ein Evolutionär des Kapitals“, behauptet das MediumMagazin (1/90) in einem Porträt des Bertelsmann-Chefs Reinhard Mohn.

Der Boss des zweitgrößten Medienkonzerns der Welt gilt in der Branche als sozialer Reformer. Sein Erfolgsrezept: Gewinnbeteiligung, Pensionswerk und Weiterbildungsangebote für die MitarbeiterInnen, Denzentralisierung und Delegation von Verantwortung. „Unternehmen können nicht länger als Privatangelegenheit des jeweiligen Eigentümers angesehen werden“, so die Einsicht des Milliardärs. Ihm gelang es, protestantisches Arbeitsethos ohne Reibungsverluste ins Zeitalter des modernen Managements zu übersetzen. Er beklagt, daß „die frühere religiöse und ethische Orientierung des Menschen einem geistigen Vakuum gewichen ist“. Und das versucht Mohn, mit geistiger und materieller Identifizierung mit dem Betrieb neu auszufüllen.

Doch beim genauen Hinsehen erweist sich auch die vielgespriesene Gewinnbeteiligung nicht ganz als selbstlose good-will-Geste. So mußten einst die Bertelsmann -MitarbeiterInnen die Gewinnausschüttung nach Steuerabzug dem Konzern als Darlehen zur Verfügung stellen. Der sparte dadurch Finanzen und Steuern. Ein Beispiel für den Kurs des „gewinn- und machtgläuibigen Entrepreneurs, der Kaltschnäuzigkeit mit Risikofreude vereint“.

MediumMagazin widmet sich auch anderen MacherInnen des Medien-Marktes: Hans-Werner Kilz, Chefredakteur des montäglichen Nachrichtenmagazins aus Hamburg, derzeit gehandelt als „Augsteins Engel„; und Marie Claire-Chefin Charlotte Seeling („Was wichtig ist? Na eben Karriere, Kerle und Kosmetik“).

Außerdem bietet die „Zeitschrift für Journalisten“ einen bewährten Service-Teil. Da werden Layouts analysiert, eine „Stilfibel“ bringt Sprach-Tips, Kurzmeldungen, Personalien und Termine geben angehenden und gestandenen JournalistInnen alles, was sie schon immer wissen wollten. Artikel 5

„Während Hochglanzzeitschriften für Frauen boomen, kümmern Lifestyle-Blätter für 'ihn‘ vor sich hin.“ Denn das Bild der Bahnhofskioske täuscht. Zwar werben vier Hochglanzblätter um männliche Leserschaft, doch dümpelt deren Auflage peinlich vor sich hin. Die schlichte Erklärung hierfür bietet Artikel 5 (Heft 1/90): „Das Männerthema schlechthin gibt es nicht.“ Während Frauenmagazine mit dem Erfolgstrio Mode Kosmetik - Lebensart stete Zuwächse verbuchen, splittert sich das männliche Leserinteresse auf in Sport-, Technik und Wirtschaftszeitungen.

Abhilfe schaffen soll bei Esquire Rolf Diekhof. Der ehemalige Wirtschaftsredakteur von Spiegel und manager magazin will nun dem „deutschen Lifestyle-Magazin“ Niveau verschaffen. Bedingung: Zu viel Sex darf nicht sein. Ohne Grund, so besagt nämlich der Lizenzvertrag mit dem US -amerikanischen Mutterkonzern, soll Frauenhaut nicht abgebildet werden.

Wie Esquire zeigen sich auch menstyle, Männer Vogue und Der Mann zuversichtlich. Denn der neue Trend zur Bescheidenheit, der seit Monaten durch die Medien geistert, sei nur eine „normale Modewelle“, deren Ende absehbar ist. Diekhof: „Die Leute geben mehr Geld aus denn je.“ Nur müßten sie sich heute mehr Mühe dabei geben, denn reines Protzertum sei out, echte Kennerschaft dagegen in und eben hier vermittelten die Lifestyle-Magazine Orientierung.

Peter Turi, Autor des Streifzugs durch die Männermagazine, stellt in einem weiteren Beitrag zwei Hitparaden auf: Die 10 weiblichsten und die 10 männlichsten Zeitschriftentitel. Ergebnis: Während Frauen gerne in den Blättern des anderen Geschlechts stöbern, sind Männer umgekehrt höchst zurückhaltend. Große Ausnahme: Bild der Frau. Nach strengem Maßstab ist dieses Springer-Blatt gar keine Frauenzeitschrift, denn 26 Prozent der Leserschaft sind Männer, in Zahlen: 930.000. Als Grund hierfür vermutet Turi: „Wahrscheinlich hat die Bild-Marke bei Männern ein solch gutes Standing, daß sie auch Bild der Frau konsumieren.“ Doch wie gesagt, Frauen-Bild ist die große Ausnahme. Frauen dringen nämlich immer mehr in Männerzeitschriften-Reservate ein: Fast jeder fünfte Playboy-Leser ist eine Sie.

Trotz des Macho-Titels Selbst ist der Mann bestehen 25 Prozent des heimwerkfreudigen Lesepublikums aus Frauen; bei selbermachen sind es gar 33 Prozent. Und selbst die Männer-Lifestyle-Magazine Esquire und Der Mann sind keine reinen Männerblätter. Während Frauen beim Stricken unter sich bleiben (in Ingrid, Verena und Strick & Schick), bilden Fußball, Autos und Technik die Männer -Domänen (Fußball Magazin, mot, chip). Daß Politik und Wirtschaft nicht mehr reine Männerthemen sind, zeigen die geschlechtsspezifischen media-Analysen von Wirtschaftswoche, Zeit und Spiegel.

Geschlechtsneutral sind übrigens jene Titel, die sich Themen aus Kunst, Kultur, Garten und Wohnen widmen. Horizont

„Der Cola-Minister warnt: Afri enthält mehr Coffein als andere Colas. Menschen im Afri-Cola-Rausch sind wacher, schneller, schöner, Genuß auf eigene Gefahr.“ Werbewirksam prangt der Spruch auf neuen Plakaten für Afri-Cola, dem Stiefkind der Cola-Branche. Daß er zu viel verspricht, wen kümmert's? Denn um genauso wach, schnell und schön zu werden wie von einer normalen Tasse Kaffe, ist ein ganzer Liter schwarzer Sprudel nötig. Aber es geht ja auch gar nicht um einen statistisch haltbaren Drogenvergleich, sondern um die Wiederherstellung des angekratzten Images der ehemaligen „sexy-mini-super-flower-pop-op-cola“. Rettungskonzept des Afri-Junior-Chefs Alexander Flach: „Wir positionieren Afri Cola in einer Nische, die andere Colas als Massenprodukt nicht besetzen können, weil sie immer nur die Masse ansprechen können. Andere Colas sind Mainstream, Afri ist Hip-Hop. Andere Colas sind Alltag, Afri ist Abenteuer. Andere Colas sind normal, Afri ist super. Wir geben die Möglichkeit, sich von der Cola-trinkenden Masse abzusetzen. Wir bieten Extreme. Horizont (18/90), Marketing- und Medienzeitschrift, bringt mal wieder alles aus der Werbebranche, so daß dem Laien die Ohren schlackern über so viel Verschwendung geistiger und künstlerischer Kreativität zu Zwecken der Konsum- und Profitsteigerung. epd Kirche und Rundfunk

Was Margret Thatcher, Michail Gorbatschow und König Hussein von Jordanien verbindet? Sie alle gehören zur treuen Zuschauergemeinde der US-amerikanischen Fernsehstation Cable News Network (CNN). Von König Fahd von Saudi -Arabien wird gar erzählt, daß er unter chronischer Schlaflosigkeit leide und die Nächte damit zubringe, das CNN -Programm zu verfolgen. Was er sieht, sind Nachrichten ausschließlich. Denn CNN ist der weltweit einzige Sender, der news nonstop bringt: 24 Stunden lang Nachrichten, 365 Tage im Jahr. Drei- bis viermal werden Nachrichten ausgestrahlt, zweimal in der Stunde überarbeitet. Erklärtes Ziel des Senders und seines Gründers Ted Turner: Die Weltgemeinschaft durch Information und Belehrung via Fernsehschirm klug und gut zu machen.

Ob dieses Bildungsideal erreicht wird, bleibt unklar; fest steht, daß es sich rentiert. 1989 erwirtschaftete CNN mit rund 1.700 MitarbeiterInnen 134 Millionen Dollar Gewinn.

Damit kaufte Turner seinen Print- und Rundfunkkonkurrenten deren beste JournalistInnen ab. Sie arbeiten nun in der CNN -Spezialredaktion für „investigative reporting“. Jenseits des jorunalistischen Tagesgeschäfts sollen sie Machenschaften in Politik, Wirtschaft, Militär, Sport und Umwelt aufdecken.

Zum Medien-Unikum wird CNN nicht nur durch die 24-Stunden Tagesschau, sondern auch durch den „World Report“, einer Art offenem Kanal global: Jedes Land der Erde darf hinterher einen eigenen Beitrag von der bescheidenen Länge von zwei Minuten liefern, der unredigiert vom CNN ausgestrahlt wird.

Einen Report über diese ungewöhnliche Station bringt epd/Kirche und Rundfunk (Heft 36/1990), der ausführlichste hiesige Nachrichtendienst für Hörfunk und Fernsehen.

Uwe Birnstein

Artikel 5. Das Print-Magazin für die Print-Medien. Steindamm 87, 2000 Hamburg 1. Erscheint vierteljährlich. Einzelheft 24 DM, Jahresabo

96 DM

epd/Kirche und Rundfunk. Informationsdienst für Hörfunk und Fernsehen. Westerbachstr.33-35, 6000 Frankfurt/Main 90. Erscheint vierzehntägig. Einzelheft 7.30 DM, Abo monatlich 54 DM

Horizont. Zeitung für Marketin, Werbung und Medien. Mainzer Landstraße 251, 6000 Frankfurt/Main 1. Erscheint wöchentlich. Einzelheft 3,80 DM, Jahresabo 128,80 DM

medium. Zeitschrift für Hörfunk, Fernsehen, Film, Presse. Postfach 170361, 6000 Frankfurt/Main 1. Erscheint vierteljährlich. Einzelheft

12 DM, Jahresabo 38 DM

MediumMagazin. Zeitschrift für Journalisten. Hauptstraße 354, 5330 Königswinter. Erscheint vierteljährlich. Einzelheft 6,50 DM, Jahresabo 30 DM (incl.4 Ausgaben des MediumMagazin-NewsLetter)

Publizistik & Kunst. Zeitschrift der IG Medien. Friedrichstraße 15, 7000 Stuttgart 1. Für Mitglieder derselben umsonst, sonst Jahresabo 48 DM

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