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Bürgermeister im Märchenland

■ Ein Nachmittag zwischen. Ökoteich, glücklichen Kühen und Wedemeier in Öl

Die Rosenhecken stehen in schönster Blüte. Die prallen Kirchen leuchten von den Bäumen. Vögel bejubeln den endlich eingetroffenen Sommer. Irgendwo tutet ein Schiff. Und dann heißt der Ort auch noch Goldtröpfchenweg. Was kann einem Bürgermeister besseres passieren, als sich an so einem Kaiser-Wetter-Tag einmal ausführlich Zeit für die Sorgen und Nöte der Kleingärtner zu nehmen? Definitiv nichts.

Und so kommt er mit seiner Hanse-Staatskarosse und kleinem Vier-Personen-Tross dorthin, wo Bremen fast in die Weser fällt. Nach Rablinghausen, kurz hinter'm Deich. Dort haben die Kleingärtner mit viel Arbeit eine alte Anlage neu hergerichtet, und zwar so, daß der oberste Bremer Kleingärtner Johannn Dreyer dem Bürgermeister „Klaus“ zei

gen kann, daß die Kleingärtner von heute „keine Giftspritzer“ sind. In Reih und Glied stehen Erbsen und Lauch, guck mal da, ein grasgedecktes Dach, und das dahinten in der Ecke, das ist der Ökoteich. Hier umzu, da darf es wachsen und wuchern wie es will.

Alle rein in die Autos, den Stau auf der Neuenlanderstraße umfahren, links protestieren welche gegen die Autobahn auf Stelzen, weiter gen Arsten und da rechts beim Flughafen, da ist Bremens Märchenland, da heißen die kleinen Wege nach Frau Holle, Aschenputtel und Hans im Glück. Und auch Klaus empfindet anscheinend Bürgermeisterglück. „Diese Idylle hier ist ja toll“, freut er sich und blickt auf die Kühe des Bauern Wähmann, der dem Senat so viel Schwierigkeiten beim Landebahnausbau macht. Und die Kühe gucken zurück. Doch die Idylle ist bedroht und deshalb hat Kleingartenfunktionär Johann Dreyer den Bürgermeister hierhergebracht. Da, wo jetzt die Schwarz-weißen wiederkäuen, da soll in einem Jahrzehnt die Autobahn A 281 verlaufen, dann wird hier das selbstangebaute Gemüse ungenießbar sein. Und deshalb laufen die Kleingärtner Sturm gegen die Straße.

„Guten Tag, Herr Bürgermeister“, grüßt die Frau freundlich von der Gartenarbeit herüber. Nur ihr Hund ist grimmig. „Wau,

Wau“, kläfft es, und Dreyer weiß auch warum. „Der bellt, weil der Bürgermeister hier eine Autobahn bauen will.“ „Bitte nein,“ ruft Nachbar Bittner. „Herr Bürgermeister, dann sind ihre Fans hier aber weg.“ Findet Frau Bittner auch. Aber sie hat noch ein drängenderes Problem, kommt aus dem Garten und schüttelt fest des Bürgermeisters Hand. Auf dem Parkplatz, sagt sie, da wird gedealt. Aber die Polizei, der sie das erzählt hat, die hat das wohl nicht so ganz ernst genommen. Da guckt der Bürgermeister streng und schreibt auf seinen Zettel. „10. Revier, Frau Bittner.“

Und schon geht's weiter zum Kuhhirten, da kleingärtnern die „Vornehmen“, sagt Dreyer. Da stehen Blaufichten auf kurzgeschorenem Rasen, und an den Hausfenstern hängen frischgebügelte Gardinen. Und das Vereinsheim ist ein mit Glanzlack aufgeputzes Blockhaus. Und drinnen steht der heiße Kaffee und der Butterkuchen, den die Frauen gebacken haben. Ja, und was hängt denn da an der Wand? Da hängt ja ein Bild vom Bürgermeister in Öl, und der gemalte Wedemeier guckt genauso beeindruckt wie jetzt der echte. Und es ist kein Wunder, daß der ölgemalte Wedemeier so guckt. Redet doch der ölgemalte Vereinsvorsitzende mit eindringlich-erhobenem Fin

ger auf ihn ein. Und gerahmt ist das Bild mit dem Holz, das dem Maler vom Abriß seines Klohäuschens blieb. Und unter diesem Bild muß Wedemeier jetzt Platz nehmen, neben ihm der Vereinsvorsitzende in echt, und dann klicken die Kameras für's Familienalbum und die Verbandszeitung. Und jetzt versteh‘ ich auch, warum der Bürgermeister vorhin gesagt hat: „Wenn mich ein Kleingartenvorstand anruft und sagt, 'Wedemeier komm‘, dann komme ich.“

Holger Bruns-Kösters

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