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Braucht eine Hauptstadt überhaupt ein neues „SO36“?

■ Am 7. September will das legendäre SO36 in der Oranienstraße wiedereröffnen - allerdings völlig leer: Weder Tonanlage noch Stühle gibt es

Kreuzberg. Hauptstadt wird Berlin nicht erst, wenn Bonner Fallobst in den Bäumen hängt. Die wahre Hauptstadt ist Berlin immer geblieben, weil nur hier ein metropolenhaftes Lebensgefühl von „Leben und leben lassen“ (Zitat Wolfgang Antes?, d.säzzer) den Alltag vor dem Absturz in den Schnarchzustand restdeutscher Mitternacht-ist-Schluß -Großstädte bewahrt hat. Damit das so bleibt, braucht die Stadt keinen hier stationierten Kanzler, wie immer der heißen mag, sondern noch viel mehr Möglichkeiten, dem dritten Weg, zwischen Anpassung und Resignation, zu frönen. Dazu gehört ein Ort wie das legendäre Kiezkulturzentrum SO36. Das soll nach zweijähriger Umbauzeit am 7. September endlich wieder eröffnet werden.

Der Saal in der Kreuzberger Oranienstraße, in dem z.B. die „Einstürzenden Neubauten“ Anfang der Achtziger, diverse Punkbands („UK Subs“) oder die „Atonal„-Musikreihe („Blurt“) Geschichte gespielt haben, wurde für 2,3 Millionen Mark vom Fußboden bis zum Dach komplett instandgesetzt. Trotzdem ist die Freude etwas getrübt. Der Raum ist zwar erstklassig modernisiert, aber leer. Keine Ton- oder Lichtanlage steht bereit, es gibt keine Stühle. Dem Betreiber des SO36, dem Verein „Sub Opus SO36 e.V.“, fehlt das Geld. Das liegt daran, daß sich in der rot-grünen Stadt bisher niemand gefunden hat, der das notwendige Startkapital locker machen will. Immerhin beträgt allein die monatliche Saalmiete 8.000 Mark, es muß eine Kaution von 20.000 Mark hinterlegt werden, es müßten Mitarbeiter bezahlt, eine neue Saaltechnik gekauft werden. Der neue Senat hat für dezentrale Kulturarbeit Berlin-weit zwar 48 Stellen und 2 Millionen Mark vereinbart. Für Kreuzberg aber, als Zentrum der Avantgardekunst und Subkultur, blieben dabei nur ganze vier Stellen und 196.000 Mark übrig. Also stellten die „Sub Opus„-Leute einen Antrag bei der Stiftung Deutsche Klassenlotterie, der im Mai ohne Angabe von Gründen abgelehnt wurde.

Der CDU-Senat hatte nach den Maifeierlichkeiten 87/88 wenigstens begriffen, das SO36 nicht einfach zu schließen, sondern als „kulturelles Ventil“ zu erhalten. Deswegen stellten sie die Umbaumillionen zur Verfügung. Danach wurde mit dem rot-grünen Senat zwar ein Finanzierungskonzept erarbeitet, das die Übernahme der Kosten für Grundausstattung, Saalmiete und Stellenfinanzierung vorsah, aber seitdem der „Berliner Damm“ gebrochen ist, herrscht Ebbe in den Kassen des Senats.Die „Sub Opus„-Leute wollen trotzdem aufmachen. Ernst Handel, vom Verein, bleibt hartnäckig: „Ich mach‘ den Raum so leer auf, wie er ist, und renne wie ein Dorfpfarrer durch die Stadt, um für Stühle zu sammeln“. Natürlich könnte der Laden als streng kommerziell gemanagtes Unternehmen durchaus überleben. Aber das würde dem Anliegen des Vereins widersprechen. Der Verein ist bereit, das ökonomische Risiko zu tragen, zumal die Mitglieder sicher sind, zumindest die Monatsmiete durch die Veranstaltungen zu erwirtschaften. Sie brauchen aber Unterstützung und wenden sich mit einem Aufruf an alle, die helfen wollen, daß in den frisch renovierten Saal am Ende nicht doch ein „Aldi„-Supermarkt einzieht: „Wir brauchen Bühnenelemente, Lichtanlage, Tonanlage, Theatervorhang, Stapelstühle, Stahlplatten, Winkelstahl, jede Menge Werkzeug, Schreibtisch, Schreibmaschine, Büromaterial, Kopierer. Wir holen alles ab. Sub Opus SO36 e.V., Oranienstraße 175, Tel. 6147511“. Für die Eröffnungsparty werden noch Bands gesucht, die, allerdings ohne Gage, mitmachen und daran erinnern, daß gerade eine „Hauptstadt“ Läden wie das SO36 braucht.

Torsten Preuß

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