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Berliner beweisen Herz für Tiere

■ Zirkus Busch muß nicht die Scheinwerfer löschen / Direktor Schul „ganz gerührt von spontaner Hilfe“ / Spenden kamen selbst aus London / Chance, die Tierdressuren zu behalten / Dennoch: Ende August Schluß für diese Saison

Berlin. Die Erinnerungen an Schlangestehen nach Karten und an stets gut besetzte Zuschauerreihen unter dem Chapiteau des Zirkus Busch scheinen bei Freunden des Manegenzaubers wie bei Artisten schon weit zurückzuliegen. Doch sind es erst einige besonders kritische Wochen mit Geld - und Existenzsorgen, die Tourneepläne des weltweit renommierten und bislang jährlich mit elf Millionen Mark staatlich subventionierten Unternehmens platzen ließen. Schritte zu neuen Konzeptionen haben sich als notwendig erwiesen.

Dieser Tage, da der Zirkus im FEZ in der Berliner Wuhlheide Aufnahme gefunden hat, gibt es aus dem Direktionswagen von Manegenchef Hartmut Schulz endlich wieder positive Nachrichten. „Ganz gerührt sind wir von der spontanen Welle der Hilfbereitschaft der Berliner, die das im Juli eröffnete Spendenkonto auf 22.000 Mark anwachsen ließ“, freut sich der Direktor. Dank sagte er auch einem Londoner Tierfreund, der einen Bericht über das Schicksal von Busch im Fernsehen der BBC sah und auf der Stelle 200 Britische Pfund nach Berlin überwies. Darüber hinaus gebe es tägliche Futterspenden vom Westberliner Fruchthof und einer Großbäckerei. Ihre Tierliebe zeigten auch Bürger, die mit Heu, Stroh, Brot und Fleisch zum Zirkus kämen. „Eine Dame hat sogar ein Möhrenfeld gekauft, das Gemüse selbst geerntet und zu uns gebracht“, berichtete Hartmut Schulz. Voller Begeisterung sind auch Eltern von Kindern des Westberliner „Jux-Zirkus“ bei der Sache. Sie haben für ihre Hilfeleistung eigens Urlaub genommen, schaffen Bratwürste heran, grillen sie und spenden den Erlös für das zirzensische Sonderkonto.

„Wenn auch die Zuschauer derzeit nicht gerade in Scharen in die Vorstellungen strömen, können wir jedoch aus der bisherigen Entwicklung ableiten, daß Busch nicht die Scheinwerfer für immer löschen muß“, so das hoffnungsvolle und optimistische Fazit des Direktors, der gegenwärtig von einer Sitzung in die andere rennt und zwischendurch erste Verträge über Auslandsengagements für einzelne Tierdressuren festmacht. Entgegen dem früheren Plan, der den Umzug ins Winterquartier für November vorsah, wird am 30. August im FEZ die vorerst letzte Vorstellung gespielt.

Angebot und Nachfrage werden künftig unter marktwirtschaftlichen Bedingungen den Wert der Artisten bestimmen. Sie können nicht mehr über das ganze Jahr fest angestellt bleiben und Gagen beziehen, unabhänging davon, ob gespielt wurde oder nicht. Während die einen als Freischaffende mit noch mehr Qualität bemüht sein werden, ein hohes Salär zu erzielen, laufen für den anderen Teil jetzt die noch bestehenden Saisonverträge aus. „Solche sozialen Bedingungen, wie wir sie Jahrzehnte für selbstverständlich hielten, kann sich kein Zirkus der Welt leisten“, verteidigte Direktor Schulz die notwendigen Maßnahmen. Veränderungen seien schon vorher geplant gewesen, doch zwinge die prekäre Situation zu kurzfristigen Entscheidungen. „Aus der sozialen Sicherheit und Geborgenheit plötzlich entlassen zu werden wird für einige sicher sehr schmerzhaft sein. Klasse wird sich jedoch durchsetzen“, räumt Hartmut Schulz ein.

Wenn auch das Chapiteau zwischenzeitlich vermietet werden sollte, bleiben die Tiere als Hausdressuren dem Zirkus Busch erhalten. Gerade wurde eine Gruppe an einen Zirkus in Belgien vermittelt. „Wir haben die Voraussetzung für eine Überlebenschance geschaffen und hoffen, daß wir im nächsten Jahr bei sicher normalisierter Lage wieder von unserem Publikum angenommen und von der treuen Anhängerschaft nicht im Stich gelassen werden“, blickt der Zirkusdirektor voraus und hofft wie seine Mitarbeiter auch auf ein wenig Glück.

Monika Schüler/adn

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