: Die neuen und die alten „Moros“
■ Althergebrachte Vorurteile prägen das Bild der Spanier von den Arabern / Die „Reconquista“ hat Spuren hinterlassen
Aus Madrid Antje Bauer
Die Urlauber, die zu einem Benzinpreis von 77 Peseten in Ferien gefahren sind, werden für die Rückfahrt 90 bezahlen müssen, und schuld sind, wie immer, die Moros , ätzt Carmen Rico-Godoy in einer Glosse der Wochenzeitung „Cambio-16“. „Moros“, eigentlich Mauren, also Nordafrikaner, ist in Spanien der abschätzige Sammelname für all das arabisch -islamische Gesocks, dem man im Nahen Osten allen mögliche zutraut und das man im eigenen Land erst recht nicht haben will.
Die „Moros“, auf die sich die allgemeine Ablehnung gründet, sind diejenigen, die von den Katholischen Königen Ferdinand und Elisabeth im 15. Jahrhundert im Namen des Christentums definitiv von der iberischen Halbinsel vertrieben wurden angeblich unter Beihilfe des Apostels Santiago, weshalb dieser Schutzpatron Spaniens seither den Beinamen „Matamoros“, Maurentöter, trägt.
Aus dieser „Reconquista“ hat das traditionelle Spanien einen Gutteil seiner nationalen Identität bezogen. Und auch wenn seit dem Übergang zur Demokratie Spanien nicht mehr als das Katholische Schwert gegen die Ungläubigen dargestellt wird - ist Stelle dieses alten Bildes der „Moros“ kein neues getreten. Bewußt ausgelassen wurde bei dieser katholischen Geschichtsschreibung ohnehin schon immer, daß die Mauren Spanien in den 450 Jahren ihrer Herrschaft eine nie zuvor erlebte Blüte bescherten, und daß nach der Reconquista das bis dahin tolerante und kulturell reiche Land in einem Klima der Repression und der Intoleranz versenkt wurde, an dessen Folgen das Land heute noch leidet.
Kleine Schwärmerei
vom maurischen Erbe
Das Erbe eines Spanien, in dem Christen, Juden und Moslems friedlich miteinander lebten und sich die bekanntesten Philosophen der Welt ein Stelldichein gaben, wird nur von einigen Intellektuellen gepflegt, die wehmütig träumen, was aus Spanien geworden wäre, wenn die Katholischen Könige es nicht in der Austerität versenkt hätten. Nur in Andalusien, dem früheren Machtzentrum der Mauren, besteht noch ein Bewußtsein von der Tradition der Araber, auch wenn es eher fatalistischer Art ist. So schreibt der andalusische Dichter Antonio Machado: „Ich bin wie die Leute, die in mein Land kamen - bin von der dunklen Rasse, der alten Freundin der Sonne - die alles gewannen und alles verloren. Ich habe die Nardenseele des spanischen Arabers.“
Sichtbare Überreste von Al Andalus, dem maurischen Spanien, finden sich heute vor allem in Andalusien in Form verfallender alter Gemäuer wieder, auch die kühlen, von Pflanzen überquellenden Innenhöfe und ihre Springbrunnen sind von der arabischen Innenarchitektur übernommen. Ein altes arabische Bewässerungssystem, das sich durch ganz Andalusien zog und der Erosion in diesem trockenen Landstrich vorbeugte, bemühen sich die regierenden Sozialisten gerade im Namen eines falsch verstandenen Fortschritts zu zerstören. Die spanische Sprache hat einiges an arabischen Lehnwörtern übernommen - so heißt getrockneter, gepreßter Tunfisch Mojama (arabisch Getrocknetes) - doch damit hat es sich auch schon.
Da die Verbindung zu den Arabern durch deren Vertreibung ein nicht eben friedliches Ende gefunden hat, gibt es auch keine privilegierten politischen Beziehungen zu den arabischen Ländern: In Nordafrika zeichneten sich die Spanier lange Zeit durch Kolonialisierungspolitik aus, die erst mit dem Rückzug der spanischen Truppen aus der Sahara ein unvollständiges Ende nahm. Unvollständig, da die am nordafrikanischen Rand gelegenen Städte Ceuta und Melilla weiterhin zum spanischen Staatsterritorium gehören. Ceuta und Melilla sind ein ständiger Streitpunkt mit König Hassan von Marokko, der in regelmäßigen Abständen ddie Ansprüche seines Landes auf die beiden spanischen Exklaven zum Ausdruck bringt.
Die historisch gewachsenen Vorurteile gegenüber Arabern erhalten neue Nahrung, seit nordafrikanische Emigranten Marokkaner zumeist - in Nußschalen die Meeresenge von Gibraltar überqueren, um in Spanien Arbeit zu suchen. Unternehmer bedienen sich der illegalen Arbeitskräfte gern, da sie zu geringeren Löhnen arbeiten als Spanier und keinen Anspruch auf einen Arbeitsvertrag stellen können. Arbeitserlaubnis bekämen sie keine, selbst wenn sie es versuchten, denn die meisten von ihnen haben keine Ausbildung und konkurrieren dadurch mit Tausenden arbeitslosen Spaniern. Die jungen Marokkaner, häufig Analphabeten aus einem Dorf, arbeiten nicht nur zu Hungerlöhnen, sondern sie sind zum Großteil gezwungen, in Slums zu leben, da die Spanier ihnen keine Wohnungen vermieten wollen. „Schwarzafrikaner haben es meist leichter, eine Wohnung zu finden als Marokkaner“, erläutert Antonio Martinez von der Caritas in Madrid, „weil die Leute annehmen, sie seien Christen. Mit Moslems wollen sie nichts zu tun haben.“
Illegale Arbeiter, zumal in geringer Zahl, haben kein Interesse, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. So fehlten in Spanien Überfälle auf Buchhändler, die Rushdies „Satanische Verse“ in die Auslage packten, keine fundamentalistischen Eltern wollen ihre Töchter nur mit Kopftuch in die Schule gehen lassen, es gibt keine Koranschulen, in denen den Kindern der Heilige Krieg eingepaukt wird, und die einzigen Araber, die demonstrieren gehen, sind - gelegentlich - Palästinenser und Sahrauis.
Der aktuelle Konflikt im Nahen Osten trägt ein weiteres Mal dazu bei, Vorurteile gegenüber den Moros zu schüren. „Es geht um nichts anderes als um eine Rückkehr zum Krieg zwischen Moros und Christen“, warnt die Schriftstellerin Rosa Chacel. Sicher geht es nicht in erster Linie um eine Neuauflage der Kreuzzüge. Doch wo die positiven Erfahrungen mit der anderen Kultur verdrängt worden sind, gibt es nur wenig Widerstand gegen einen Krieg mit dem „Erzfeind“, dem „Moro“.
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