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KOMMENTARÖko-Dialektik

■ Hungerstreik der Kali-Kumpel: Zwiespalt zwischen sozialer und ökologischer Vernunft

Fünfzehntausend Bergleute der Kali-Industrie der DDR wollen in den Hungerstreik treten. Die Branche sieht sich mit dramatischen Absatz- und Liquiditätsproblemen konfrontiert — und mit ihrem schnellen Ende. Die jetzt also auch noch, resigniert der Beobachter und hört sein gewerkschaftliches Gewissen rumoren. Aber Kali-Bergbau in der DDR, da war doch was?

Kali gehörte neben der Braunkohle zu den wichtigsten eigenen Rohstoffen der DDR. Und ähnlich wie bei der Braunkohle wurde auch dieser Rohstoff rücksichtslos ausgebeutet. Die Thüringer Kali-Industrie bescherte der Werra jährlich zwischen fünf und zehn Millionen Tonnen Kalisalze, das ist alle halbe Stunde die Menge eines vollbeladenen Güterzuges. Werra und damit auch die Weser wurden, mit diesen Giftfrachten beladen, salzhaltiger als Ostsee und Nordsee. Seit Jahrzehnten zählen beide Gewässer zu den versautesten Wasserläufen Deutschlands, streckenweise biologisch tot, Sperrgebiet für die Trinkwasserversorgung. Entsprechend war die Versalzung der Dauerbrenner ungezählter deutsch-deutscher Umweltgipfel.

Keine Frage: Das Ende der Kali-Industrie wird niemand bedauern, dem auch ein ökologisches Gewissen schlägt. Das ist weder zynisch noch unsozial, sondern ganz einfach vernünftig. Genauso wie das Ende des Uranerzabbaus bei Wismut vernünftig ist oder das drohende Aus für weite Teile der DDR-Chemie. Eine Produktion, die Mensch und Natur verseucht, darf aus falscher sozialer Rücksichtnahme nicht unbegrenzt weiterwuchern.

Und die Arbeiter? Soziale Abfederungen und Abfindungen sind so notwendig wie das Ende der Verseuchung notwendig ist. Wer ein ökologisches Gewissen hat, muß sein gewerkschaftliches deswegen noch lange nicht abschalten. Im Gegenteil: Nur wenn das Herz auch für die betroffenen Arbeiter und ihre Familien schlägt, lassen sich ökologische Positionen glaubwürdig vertreten. Der Kampf für eine Abfindung der Kali-Kumpel ist eben auch ein ökologischer Kampf. Die Abfindung der Bergleute wäre im übrigen auch aus volkswirtschaftlicher Sicht gut angelegt. Denn allein die Rostschäden für die Schiffahrt werden durch die Versalzung auf jährlich 60 Millionen Mark geschätzt. Allein diese Summe auf fünf Jahre hochgerechnet und auf die 15.000 Bergleute umgelegt, macht 20.000 Mark pro Nase. So schnell kann sich Umweltpolitik amortisieren. Von den Blumenkohlgeschwüren der Weser-Fische wollen wir gar nicht erst reden. Manfred Kriener

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