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Verfassungsgericht prüft Wahlgesetz

■ In Karlsruhe wird seit gestern über das Gesetz zur Bundestagswahl verhandelt/ Grüne, Linke Liste/PDS und Republikaner gemeinsam gegen Fünfprozenthürde und Konkurrenzverbot

Berlin (taz) — Üblicherweise gehen sie sich aus dem Weg, nur gestern trafen sie sich vor dem Bundesverfassungsgericht, das nun die Organklagen der Grünen, der Linken Liste/PDS und der Republikaner verhandelt. So saßen sie alle beisammen, als es um die Fünfprozenthürde und die eingeschränkte Möglichkeit von Listenverbindungen ging: Hans- Christian Ströbele für die Grünen und Gregor Gysi für die Linke Liste/PDS. Mit Franz Schönhuber saß auch der Chef der Republikaner auf der Klägerbank. Nur ein leerer Stuhl trennte den REP-Chef von einem Vertreter der DSU, der aufmerksam den Streit um das Wahlrecht verfolgte, das seiner Partei am meisten entgegen kommt und als „lex DSU“ Schlagzeilen machte. Gemeinsam halten die Kläger sowohl die Fünfprozentregelung als auch die Möglichkeit einer Listenverbindung für nicht konkurrierende Parteien für verfassungswidrig. Um „schweren Schaden“ für die Wahlen abzuwehren, wurde beim Verfassungsgericht von den Grünen zugleich beantragt, auf dem Wege der einstweiligen Verfügung die Bundestagswahl in der vorgesehen Form zu stoppen. Einen Entscheidungstermin wollte der Senat unter Vorsitz von Gerichtsvizepräsident Ernst-Gottfried Mahrenhloz aber erst am Ende des gestrigen Verhandlungstages bekannt geben.

Innenminister Schäuble verteidigte vor Gericht das Wahlgesetz vehement: Bei seiner Formulierung sei es darum gegangen, eine Parteienzersplitterung zu verhindern. Gleichzeitig sollte vermieden werden, daß wichtige politische Gruppen aus der DDR ausgegrenzt würden. Er verteidigte damit das sogenannte Huckepack-Verfahren, wonach die verschiedenen Landeslisten über den Bundeswahlleiter dann eine Listenverbindung eingehen können, wenn sie in den jeweiligen Bundesländern nicht miteinander konkurrieren. Eine einfache Ausweitung des Bundeswahlrechts auf das Gebiet der DDR hätte die Kandidatur der Bürgerrechtsgruppen nur erschwert.

Vorstandssprecher Ströbele vermochte Schäubles Ausführungen nicht zu folgen. Wenn die Bundesregierung behaupte, das Wahlrecht beachte die besondere Situation der Bürgerrechtler aus der DDR, dann sei dies einfach nicht zutreffend. Durch die Einschränkung der Listenverbindung werde einseitig die DSU begünstigt. Auf der anderen Seite werde die PDS — und dies sei der Wunsch der SPD gewesen — drastisch beeinträchtigt, da sie in der Bundsrepublik keinen Partner finde. Das Wahlgesetz bedeute für eine Partei wie die der Grünen de facto eine Sperrklausel von 6,4 Prozent — für die kleinen Parteien in der DDR liege die Hürde bei 23 oder 24 Prozent. Die Republikaner machten für sich geltend, es gebe mit der Sperrklausel für sie keine Chancengleichheit auf dem Gebiet der DDR. Dort seien sie mit Beschluß der Volkskammer bis zum 15. August verboten gewesen.

Den Zwang zur Listenverbindung gab auch die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley (Neues Forum) zu Protokoll. Es sei nicht so, „daß wir glücklich wären über ein Bündnis mit den Grünen“. Die Zwänge des neuen Wahlrechtes hätten auch Konflikte nach sich gezogen, was wohl dazu führen werde, „daß wir uns spalten“.

Im Namen der Linken Liste/PDS beanstandete Vorstandsmitglied Andrea Lederer, daß „hier die Ungleichbehandlung auf der Hand liegt“. Schon jetzt mache das Wort von der „Mehrheitsdiktatur“ in der DDR die Runde. PDS-Chef Gregor Gysi griff bis Redaktionsschluß in die Debatte vor Gericht nicht ein. wg.

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