: Keine müde Mark mehr locker
■ Eine Woche Haushaltsberatungen der SPD-Fraktion / LehrerInnen-Protest fiel ins Wasser
Für ihre Haushaltsberatungen hat sich die SPD-Fraktion den denkbar günstigsten Zeitpunkt gesucht: Eiskalter Dauerregen läßt jeden Protest vor den verschlossenen Türen ins Wasser fallen. Als erste versuchte gestern die GEW die beste Gelegenheit zur Demonstration zu nutzen, die das parlamentarische Jahr zu bieten hat: Denn wenn die SPD-Fraktion am Freitag nach fünftägiger Beratung erstmal ihren Entwurf für den Bremer Etat 1991 verkündet hat, wird sich darüber hinaus kaum noch eine müde Mark aus Grobeckers Landeskasse holen lassen.
Trotzdem und trotz der offensichtlichen Mangelwirtschaft in Bremens Schulen (Transparentparole der GEW: „Bildung für morgen mit dem Schrott von gestern“) brachte die Gewerkschaft nur ein knappes Dutzend DemonstrantInnen vor die Tür der Bürgerschaft, um die SPD- Abgeordneten bei der Rückkehr vom Mittagessen mit ihren Mindestforderungen zu behelligen:
Einstellung von 1.850 neuen Lehrkräften bis 1995, um SchülerInnen-Boom und Pensionierungs-Welle auszugleichen,
zusätzliches Personal für die Senkung der Klassenfrequenzen in der Grundschule von 25 auf 20 SchülerInnen und
Erhöhung der Gelder für Lehr- und Lernmittel um zwei Drittel.
Überholte und zerfledderte Schulbücher, kaputte Geräte aus dem Physik- und Chemielabor und zerschlissene Stühle hatten die LehrerInnen gleich mitgebracht, um den Zerfall ihrer Bremer Schulen zu versinnbildlichen.
„Wiederbeschaffungsstau“ nannte der herbeigeeilte Bildungssenator Scherf das Problem. Seit Jahren sei der „anerkannte Bedarf“ nicht mehr in reale Mittel umgemünzt worden, „da müssen wir uns jetzt wieder ranarbeiten“, sagte Scherf. 1,2 Mio Mark will er 1991 für diesen Zweck zusätzlich haben. Doch ob er sie auch kriegt, war gestern noch nicht abzusehen.
„Mit Sicherheit nicht“ werde es aber den dringend erforderlichen Anbau für die Gesamtschule Mitte geben, wußte Scherf bereits. Von „völlig überzogenen Baupreisen“ hatte Finanzsenator Grobecker zuvor hinter den Türen der SPD-Fraktion gepoltert und einen „öffentlichen Baustopp“ angedroht. Schließlich seien selbst bereits genehmigte Bauvorhaben des Staates angesichts explodierender Preise überhaupt nicht mehr zu realisieren.
„Wenn der Staat nicht helfen kann“, hat sich daraufhin der in ungewöhnlichen Finanzierungen geübte Senator Scherf gedacht, „muß ein privater Träger her“. Die „Planungswerkstatt“ soll den Schulanbau selber finanzieren, der Senat sorgt lediglich für die Kosten des dafür erforderlichen Kredits und muß sich damit nicht selber noch höher verschulden. „Das führt zu einem Schattenhaushalt, das lehne ich ab!“ empört sich CDU-Haushaltsexperte Klein über diesen Versuch, eine „laufende staatliche Tätigkeit wie den Schulbau“ unter Umgehung des Haushaltsrechts zu finanzieren. „Ein bißchen unkonventionell“ findet auch Scherf seine Idee der privat gebauten Staatsschule, „aber wenn wir nicht über unkonventionelle Möglichkeiten nachdenken, stehen alle im Regen.“ Dirk Asendorpf
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