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Heimstiftung: Viel Geld für zu wenig Pflege

■ Vorstands-Vorsitzende Sabine Uhl: „Rufmord“ / Pflegesätze über Jahre knallhart kalkuliert

Hohe Wellen schlagen die jüngsten Pflegesatzerhöhungen in der Bremer Heimstiftung. Die BewohnerInnen und Angehörigen forderten auf einer Versammlung Einsicht in die Bücher und zogen verbitterte Vergleiche mit den Zuständen in der St.-Jürgen-Klinik und in der Hans-Wendt-Stiftung, wo die Verflechtungen zwischen Vorstand und Aufsichtsbehörde ins wirtschaftliche Chaos geführt hatten. Vorstandsvorsitzende der Heimstiftung ist nämlich Sozialsenatorin Sabine Uhl, die damit die Funktionen des Kostenträgers und der Aufsichtsbehörde in sich vereint.

Bis zu 20 Prozent mehr müssen die BewohnerInnen und deren Angehörige zukünftig für die Unterbringung und Pflege zahlen. Alexander Künzel, erst seit eineinhalb Jahren Geschäftsführer der kommunalen Einrichtung, rechtfertigt die Erhöhung mit den gestiegenen Personalkosten.

Die hatte die Heimstiftung aber bereits 1989 nach Abschluß des Tarifvertrages in einer 11,6 prozentigen Erhöhung umgelegt. Der Betriebsrat vermutet jahrelange Fehlkalkulationen, die jetzt die deftigen Erhöhungen notwendig machen und fordert Einsicht in die Bücher. Michael Blanke von der ÖTV dazu: „Jahrelang hat die Heimstiftung schlechter gezahlt als die andereren Träger. Deshalb hat der Tarifabschluß die Heimstiftung am schwersten getroffen.“ Durch billige Pflegesätze verschaffte sie sich Wettbewerbsvorteile gegenüber den anderen Trägern. Auch die jüngste Erhöhung hinkt den Kosten hinterher. Und es gibt schon wieder neue Tarifverhandlungen.

„Rufmord“, „gezielte Diffamierung“, so reagierten Vorstandsvorstitzende Sabine Uhl und Geschäftsführer Alexander Künzel gestern auf einer Pressekonferenz. Vom Weser-Kurier aufgegriffen und ausführlich behandelt — „verwahrten sich“ Künzel und Uhl gegen die Behandlung interner Fragen in der Presse. Uhl schimpfte wie ein Rohrspatz: „Tatbestände, die es gar nicht gibt... daß sich die Presse dafür hergibt... Erörterungen, die nicht in der Presse stattzufinden haben...“ Den Vorwurf der Ämterverflechtung wies Uhl zurück. Und zum Thema Fehlkalkulationen: „Der Rechnungshof hat die Heimstiftung mehrmals geprüft.“ Die zu erwartenden Zuwächse habe man in den vergangenen Jahren eben zu gering eingeschätzt. Aber schließlich dürfe man immer nur so viel erhöhen, wie sich aus den Kosten ergibt, nicht mehr und im voraus.

Erst auf Drängen des Heimbeirates, der BewohnerInnenvertretung, hatte die Heimstiftung 1989 eine Prüfung durch den Rechnungshof veranlaßt. Dabei wurde festgestellt, daß die damalige Erhöhung des Pflegesatzes um 11,6 Prozent auch schon nicht zur Kostendeckung führte.

Die vom Betriebsrat geforderte Transparenz gäbe es bereits, so Alexander Künzel: „Wir haben nichts zu verbergen.“ Die Angehörigen jedenfalls sollen im Januar detailliert Auskunft erhalten, wie sich die Kostensteigerung im Pflegesatz erklären läßt.

Im November hatten Belegschaftsangehörige und Betriebsrat an die Sozialsenatorin geschrieben, daß der Personalmangel in den Heimen der Bremer Heimstiftung zu — im Fachjargon — „gefährlicher Pflege“, das heißt zu Unterversorgung und Fehlern, führe. Uhl reagierte gar nicht auf den Brief, aber Künzel, als ihm wegen des Pflegesatzstreites die Hutschnur platzte. Er schrieb eine seitenlange Rüge an jede UnterzeichnerIn. Die Sache werde in die Personalakte eingetragen. Während der Pressekonferenz saßen die Mitglieder des Betriebsrates schweigend dabei. Im Anschluß daran ereiferten sie sich im Flur: „Das ist alles gelogen.“ Der Betriebsrat habe keinen Einblick in die Bücher. Als die Rüge kam, seien sie an die Öffentlichkeit gegangen, denn: „Man will uns mundtot machen.“ Und was die Pflegequalität angeht: „Das ist eine schlimme Situation, wenn man aufgrund des Personalmangels seine eigene Arbeit nicht mehr verantworten kann.“ Beate Ramm

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