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John Major nutzt die Stunde

Die Konservativen liegen wieder vor der Labour Party/ Neil Kinnock als Tory-Wahlhelfer  ■ Von Ralf Sotschek

Die Kriegsberichte klingen zwar euphorisch wie eh und je. Doch eines bleibt den Engländern diesmal erspart: das Kriegsgeheul der Falkland-erprobten Margaret Thatcher. Ihr Nachfolger John Major, zu Beginn des Golfkrieges gerade 55 Tage im Amt, schlägt leisere Töne an. Im Bewußtsein, daß die öffentliche Meinung schnell umschlagen kann, sollte der Krieg nicht so glatt wie geplant verlaufen, vermeidet er allzu heftige Kritik an Kriegsgegnern — eine Verlockung, der Thatcher ohne Zweifel erlegen wäre.

Die Taktik Majors ging bisher auf, auch wenn der „Falkland-Faktor“, durch den Thatcher damals die Parlamentswahlen gewann, diesmal nicht so zum Tragen kommt: Am Golf sind die britischen Truppen nur Juniorpartner in einem Krieg, wo alles Wichtige in Washington entschieden wird. Doch die Torys konnten den Abwärtstrend dank des Golfkrieges aufhalten. Laut 'Observer‘ lagen sie in der vergangenen Woche 5 Prozent vor der Labour Party. 80 Prozent der WählerInnen sind mit Majors Verhalten in der Krise zufrieden.

Dazu beigetragen hat der politische Eiertanz des Labour-Führers Neil Kinnock, der vor dem Angriff auf den Irak stets betont hatte, daß er die gewaltsame Befreiung Kuwaits zwar befürworte — aber erst zu einem späteren Zeitpunkt. Nach Kriegsausbruch beeilte er sich zu versichern, daß er selbstverständlich den Truppeneinsatz voll und ganz unterstütze. Und nicht nur das: Großbritannien habe ein Recht darauf, über die Zukunft des Nahen Ostens mitzubestimmen, da man schließlich „35.000 Soldaten entsandt und ein Vermögen ausgegeben“ habe.

Laut 'Observer‘-Umfrage hält nur die Hälfte der Bevölkerung Kinnocks Taktik für angemessen. Besonders beunruhigend für den Labour-Chef: zwar sind 61 Prozent der Labour-WählerInnen mit ihm zufrieden — doch mehr noch, 69 Prozent, mit John Major.

Dieser hat die Gunst der Stunde genutzt, den rechten Parteiflügel enger an sich zu binden. Majors antieuropäische Äußerungen wegen mangelnder Unterstützung der Verbündeten im Golfkrieg sind bei den Thatcheristen auf offene Ohren gestoßen. Schützenhilfe erhielt Major dabei erneut von Kinnock, der die Perspektive für die politische Union Europas — „ganz zu schweigen von einem gemeinsamen Verteidigungsprogramm“ — ernsthaft gefährdet sieht. Eine Labour-Regierung, so Kinnock, werde ihre Verteidigungspolitik „in Anbetracht des Golfkrieges überarbeiten“.

Die offizielle Labour-Politik könnte sich als Eigentor erweisen: Sollten immer mehr britische Soldaten im Sarg nach Hause zurückkehren, ist es für eine erneute opportunistische Wende zu spät. Die ArbeiterInnen der britischen Rüstungsfirma Ferranti werden auf alle Fälle für Major stimmen: Die noch im Dezember hochgefährdeten 6.000 Arbeitsplätze in den schottischen Werken sind vorerst gesichert.

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