: Wein und Wodka aus Wandlitz
■ In der Ex-SED-Siedlung klingelten am Wochenende die Kassen/ »Honeckers Supermarkt« wurde geräumt
Wandlitz. In der früheren SED-Politbüro-Siedlung Wandlitz klingelten am Wochenende die Kassen. Eine zum 1. Januar aus Rentabilitätsgründen geschlossene Kaufhalle hatte in dem nun in ein Sanatorium umgewandelten Komplex noch einmal geöffnet und ihre Lagerbestände zum halben Preis angeboten. Doch wer bei dem Räumungsverkauf sensationelle Angebote aus Beständen ehemaliger Parteigrößen erwartet hatte, sah sich enttäuscht.
Schon Stunden vor der Eröffnung am Samstag hatten sich Hunderte von neugierigen Kunden aus der Umgebung bis hin zum Kreisstädtchen Bernau in der Hoffnung auf ein »Schnäppchen« vor dem Supermarkt eingefunden. Die Aktion war zuvor im Rundfunk angekündigt worden. Ob auch Erich Honecker oder der zur Zeit vor Gericht stehende ehemalige FDGB-Chef Harry Tisch früher hier eingekauft hätten, wollten Kunden wissen. »Der Laden war doch nur für das Fußvolk da«, meinten einige. »Wenn die Bonzen etwas brauchten, haben sie es aus West-Berlin kommen lassen.« Der Kreistag von Bernau hatte den Ausverkauf organisiert, um die alten Lagerbestände nicht verderben zu lassen. Zum Kassieren stellten sich freiwillige Helfer zur Verfügung, darunter einige Kreistagsabgeordnete.
Schnell türmten sich kartonweise Tüten Bremer Apfelsaftkonzentrats, Schweizer Schokolade, Deodorants oder Waschmittelpackungen in den Einkaufswagen. Andere trugen einen Bierkasten nach dem anderen zu ihren Autos. Besonders begehrt auch im Preis halbiertes Hundefutter, Zigaretten, Kaffee, Wein und Wodka »Made in GDR«. »Das ist ja wie bei Aldi«, bemerkte eine Kundin aus Berlin zu dem Gedränge.
Die einst schwer bewachte, auf keiner Landkarte verzeichnete Siedlung im Stadtforst Bernau bei Wandlitz teilte sich in die eigentliche, 1,4 Qudratkilometer große Wohnanlage der SED-Prominenz und den sogenannten Dienstleistungsbereich. Dort arbeiteten und wohnten Fahrer, Sicherheitskräfte, Heizer, Schneider, Handwerker und Gärtner. Nur handverlesene »Bedienstete« durften zur Erledigung von Arbeitsaufträgen die von Wachhäuschen gesicherte Mauer zwischen den beiden Arealen passieren.
Um frische Waren zu erhalten, mußte Margot Honecker nicht weit gehen: Ein »Ladenkombinat« mit Bäckerei und Metzgerei, rund 200 Meter von ihrem Haus entfernt im innersten Mauerring der 23 Wohnhäuser umfassenden Anlage, hielt Brötchen und Koteletts bereit. Harald Rohde/dpa
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