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Spanien zählt nun auch sein Volk

Zähler bereits unterwegs/ Fragebogen mit 25 Seiten/ Auch intime Fragen/ Bislang wenig Widerstand  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Seit einigen Tagen hängt ein Plakat im Hausflur. Darauf sind verschiedene bekannte Gebäude Madrids abgebildet, mit viel Grün versehen, in Fettschrift wird der Leser aufgefordert: „Trag dich ein, nimm deine Rechte wahr.“ Kleingedruckt folgt die Ankündigung, daß der Zensor in diesen Tagen vorbeikommen werde.

Was da als poppiges Plakat für eine bessere Zukunft und einen mündigen Bürger daherkommt, ist die Ankündigung eines Akts, der bislang an der spanischen Öffentlichkeit vorbeigegangen ist: der Volkszählung. 39 Millionen Spanier sind dazu aufgerufen, im März und April auf 25 Seiten die staatliche Neugier zu befriedigen. Die Fragen erweisen sich als noch detaillierter als jene der Volkszählung in der Bundesrepublik vor einigen Jahren.

So wird nach dem Heiratsdatum gefragt und wieviele lebende Kinder eine Frau geboren hat. Der Bürger muß nicht nur angeben, wie viele Zimmer seine Wohnung hat und wie er sie nutzt, sondern auch, ob die Wohnung ihm gehört und ob er sie teilweise oder ganz bezahlt hat, oder ob sie ihm vielleicht gratis oder halbgratis überlassen wurde und von wem.

Die Kontrolle der Bürger durch den Staat ist in Spanien traditionell ein weitgehend unbeacktertes Terrain. Die frankistische Polizei interessierte sich für politische Äußerungen der Untertanen, doch ihre Lebensgewohnheiten waren ihnen ansonsten weitgehend gleichgültig. Auch in den Jahren danach zeichnete sich der bürokratische Apparat in diesem Bereich durch Ineffizienz und Langsamkeit aus.

Das für Spanien typische Fehlen eines Staatsgefühls verbunden mit einem starken Bedürfnis, die eigene Privatsphäre zu verteidigen, trug zu diesem „datenlosen“ Zustand bei. Sich polizeilich anzumelden, hält bislang jeder für überflüssig, und die Deklarierung von Einkünften wird mit noch größerer Überzeugung umgangen als anderswo.

Um die spanische Rückständigkeit in Sachen Transparenz der Bürger aufzuholen, versucht die sozialistische Regierung nun mit Brachialgewalt vorzugehen. So wurde vor mehr als einem Jahr eine Steuernummer eingeführt, die jeder haben muß, der auch nur etwa ein Sparkonto eröffnen oder eine Wohnung anmieten will, bei Besuchen in Ministerien oder bei der Post wird die Personalausweisnummer notiert. Einen Datenschutzbeauftragten einzustellen, hielt man bislang nicht für nötig.

Die Bürger reagieren je nach Gefühlslage. Die Nummer des Personalausweises wird gewöhnlich ohne Murren herausgerückt, da darin niemand eine Verletzung der Intimsphäre vermutet. Auch gegen den Zensus haben sich bislang nur wenige vorsichtige Stimmen gemeldet. Doch auch falls es keine Volksempörung gegen die Zählung geben sollte: Die Hälfte der Fragen werden sicherlich, wenn überhaupt, falsch beantwortet.

Das denkt auch die Regierung und droht daher vorsichtshalber gleich mit hohen Geldstrafen.

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