: Kaminplauderei an Hitlers Geburtstag
■ Hanna-Renate Laurien will am 20. April vierzig Parlamentarier durch Michael Stürmer fortbilden lassen/ SPD ist über Stillosigkeit des Protokolls empört
Rathaus Schöneberg. Die Dame hat einfach Stil: Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU), die sich vor drei Wochen bei SFB-Intendanten Lojewski über die mangelnde Berichterstattung zu einer von ihr mitinitiierten Demonstration beschwerte, sorgt sich jetzt um ihre Abgeordneten. Um »den aus recht verschiedenen Lebenszusammenhängen stammenden Parlamentariern eine besondere Form der Begegnung zu ermöglichen«, will sie zu einer Reihe Berliner parlamentarische Gespräche in exklusivem Rahmen einladen. So heißt es in einem der taz vorliegenden Schreiben, das die Präsidentin letzte Woche den Fraktionen zukommen ließ. Die erste Veranstaltung dieser Art soll am 20. April (»Führers« Geburtstag) stattfinden, als Referent wurde ausgerechnet der neokonservative Historiker und Kanzler-Intimus Michael Stürmer gewonnen. Thema: »Der Preis der Mündigkeit. Probleme deutscher Außen- und Sicherheitspolitik in den 90er Jahren«. Insgesamt fünf Veranstaltungen dieser Art innerhalb von zwei Jahre sollen in der noblen Europäischen Akademie im Grunewald jeweils 40 Abgeordneten Gelegenheit geben, »über aktuelle und grundsätzliche Fragen« zu diskutieren. Als weitere Referenten sind der ungarische Minister Kadar und der Politologe Ellwein vorgesehen. Nach Wunsch der Präsidentin soll damit auch der »geistige und politische Anspruch« Berlins als Sitz des Bundestags untermauert werden. Die Teilnehmerzahl wird je nach Fraktionsstärke kontingentiert, so daß jeder Parlamentarier an einer Veranstaltung teilnehmen könne.
Was die Fraktionen von PDS und Bündnis 90/Grüne eher belustigte und die FDP »gelassen« ließ, stieß beim Koalitionspartner SPD auf Empörung. Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller erklärte gegenüber der taz, Frau Laurien habe ihre Pläne weder formell noch inhaltlich mit der SPD abgesprochen. Die SPD werde vorerst keinen einzigen Abgeordneten für die Veranstaltung benennen und erwarte ein klärendes Gespräch mit der Präsidentin. »Wir sind höchst befremdet, daß ausgerechnet Herr Stürmer als erster Redner auserkoren wurde«, so Stadtmüller. »Befremdet« sind die Sozialdemokraten auch darüber, daß das Protokoll des Abgeordnetenhauses sich offenbar über die Bedeutung des Datums nicht im klaren sei. Grüne/Bündnis 90 und PDS überlegen derzeit noch, ob sie überhaupt Abgeordnete zu dem Termin schicken wollen. Die PDS-Fraktionsvorsitzende Gesine Lötzsch erklärte, das Verhältnis ihrer Fraktion zur Präsidentin sei ohnehin schlecht. kd
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