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Doch keine Strommasten in Spandau

■ Stromtrasse wird als unterirdisches Kabel verlegt/ Senat bestätigte damit rot-grüne Entscheidung

Berlin. Meterhohe Strommasten vor der Haustür bleiben den Spandauern nun doch erspart. Nach mehrmonatiger Diskussion beschloß der Senat gestern, die umstrittene Stromtrasse als unterirdisches Kabel verlegen zu lassen, so wie es die rot-grüne Vorgängerregierung im Dezember 1989 beschlossen hatte. Ein Alternativvorschlag der Bewag, der für die Dauer von zehn Jahren eine provisorische, oberirdische Freileitung vorsah, fand vor dem CDU/SPD-Senat wider Erwarten keine Gnade. Die etwa zehn Kilometer lange Hochspannungsleitung soll, wie mehrfach berichtet, das Westberliner Inselnetz mit dem westdeutschen Stromverbund verknüpfen und von der Stadtgrenze im Spandauer Forst bis zum Umspannwerk Reuter führen.

Anders als ursprünglich von der Bewag angegeben, würde eine Freileitung lediglich zu geringen Einsparungen führen, erläuterte Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD). Er sprach von 50 Millionen Mark, während die Bewag bisher die Summe von 220 Millionen genannt hatte. Die Rechnung durcheinandergebracht habe vor allem die von Bausenator Wolfgang Nagel geplante »Wasserstadt Spandau«. Wegen dieses Neubauprojektes könne östlich der Havel ohnehin keine Freileitung gebaut werden. Andererseits erwarte der Senat, daß der Bau einer ohnehin geplanten Havelbrücke für die Wasserstadt auch die Kosten der Kabeltrasse um eine zweistellige Millionensumme verringern könne. Die Leitung müsse nicht mehr unter der Havel verlegt werden, sondern könne an der Brücke angehängt werden. Ihren Bau will der Senat jetzt umgehend einleiten.

Eine Genehmigung für die Freileitung hätte die Bewag nur erhalten, wenn sie Ausgleichszahlungen in Höhe von 260 Millionen Mark geleistet hätte, betonte Umweltsenator Volker Hassemer (CDU). Für etwa 160 Millionen Mark hätte die Energieversorgungsgesellschaft verschiedene Naturschutzprojekte fördern müssen, um die mit Strommasten und -leitung verbundenen Umweltschäden auszugleichen. Darüber hinaus hätte Hassemer von der Bewag 100 Millionen für Energiespar- und Umweltschutzprojekte im Ostteil der Stadt erwartet. Der Kostenvorteil einer Freileitung wäre angesichts dieser Ausgleichszahlungen dahin gewesen.

Während die AL und der Spandauer Bezirksbürgermeister Werner Salomon (SPD) die Senatsentscheidung begrüßten, reagierte die Bewag mit Bedauern. Die Kabeltrasse könne — trotz Baubeginn in diesem Jahr — »frühestens Ende 1994« fertiggestellt werden, warnte Bewag- Sprecher Thomas Möller. Weil der Stromverbrauch im Westteil der Stadt zur Zeit überproportional ansteige, könne es im Winter 1992/93 »möglicherweise« zu »Versorgungsengpässen« kommen.

Helfen soll nun womöglich die Bewag-Schwesterfirma Ebag im Ostteil der Stadt. Möller sprach von »Planspielen«, nach denen Strom aus dem Ostberliner Netz im »Richtbetrieb« nach West-Berlin geleitet werden könnte. Ost-Berlin ist zwar nur dürftig mit Kraftwerken ausgestattet, wird aber voraussichtlich Ende 1992 zusammen mit dem ganzen DDR-Netz an das westdeutsche Verbundnetz angekoppelt. Sobald auf diese Weise die Netzfrequenz auch im Ostteil der Stadt bei 50 Hertz stabilisiert worden sei, seien auch Stromlieferungen nach West-Berlin möglich, sagte Möller. An welcher Stelle der Stadt eine Richtleitung von Ost nach West gebaut werden könnte, sei aber noch völlig offen. hmt

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