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Die Staatskünstler

Die Literatur, die Staatssicherheit und die Rolle der Schriftstellerverbände in Deutschland  ■ Von Hubertus Knabe

Der Vorfall liegt einige Wochen zurück. Ich war zufällig in eine Veranstaltung geraten, auf der der bis vor anderthalb Jahren in der DDR für Zensur zuständige stellvertretende Kulturminister Klaus Höpcke mit prominenten Autoren in seinem ehemaligen Amtsgebäude in der Clara-Zetkin-Straße diskutierte. Das Gespräch erinnerte freilich eher an eine Plauderei im Familienkreis, bei der niemand dem anderen wirklich weh tun will. Zwischen dem Täter und seinen Opfern schien geradezu ein untergründiger Konsens zu bestehen, der mich irgendwann dazu veranlaßte, öffentlich mein Kopfschütteln über diese merkwürdige deutsche Revolution zu äußern. Klaus Schlesinger, der nach seinem Ausschluß aus dem DDR-Schriftstellerverband im Jahre 1979 die DDR verließ und, wie man in Erich Loests Stasi-Akte nachlesen kann, am Übergang Friedrichstraße mit Vorliebe bis auf die Haut ausgezogen wurde, um ihm auch das vorübergehende Heimkehren zu verleiden, ergriff daraufhin das Wort und sagte: „Sie sind bestimmt aus dem Westen. Sie werden uns nie verstehen!“

Seit diesem Zeitpunkt bemühe ich mich, das besondere Verhältnis zwischen den Schriftstellern und der Macht in der DDR zu begreifen. Ich bin dabei zu der Auffassung gelangt, daß es zwischen den beiden eine Art inzestuöser Beziehung gegeben haben muß (und immer noch zu geben scheint), die eine Aufarbeitung der Vergangenheit verhindert. Als säße in den Hirnen ostdeutscher Intellektueller — sogar, wenn sie die DDR, wie Klaus Schlesinger, schon vor Jahren verlassen haben — ein spezieller Mechanismus, der es ausschließt, die Frage nach Schuld und Verantwortung im Zusammenhang mit dem sozialistischen Staatswesen im Osten Deutschlands präzise und öffentlich zu stellen — und zu beantworten.

Anzeichen dafür konnte man schon vor dem Sturz Honeckers erkennen, als die prominenten DDR- Autoren der aufkommenden Protestbewegung in den Kirchen so merkwürdig gleichgültig gebenüberstanden. Die nachfolgende Entwicklung (der Aufruf „Für unser Land“, die unterlassene Aufarbeitung der Rolle der Schriftsteller und ihres Verbandes und die Reaktionen auf den Brief des VS an 23 belastete Ost-Autoren) bestärkte den Eindruck, daß die meisten Schriftsteller in der DDR in einem Verhältnis negativer Symbiose zu ihrem Staat gestanden haben, das der ungarische Autor Miklós Haraszti schon vor Jahren in seinem Buch Der Staatskünstler auf intelligente Weise beschrieben hat. Nur so erklärt sich, daß die große Debatte der Intellektuellen über Schuld und Verstrickung in die zweite deutsche Diktatur in diesem Jahrhundert nicht stattfindet — ein Versäumnis ausgerechnet derer, die diese Debatte, bezogen auf den Faschismus, immer wieder zu ihrer Aufgabe erklärten.

Statt Erleichterung über den Sturz des Regimes herrscht Enttäuschung. Günter Kuhnert konstatierte im Zusammenhang mit dem Verschwinden der Zensur kürzlich: „Man hat den Eindruck, als hätten manche Autoren durch das Ende der Zensur einen persönlichen Verlust erlitten. Es zeigen sich Entzugserscheinungen. Denn mit der Zensur verloren die Autoren ihre treuesten und aufmerksamsten Leser.“

Ein Aspekt, der bis heute einer Aufarbeitung harrt, ist die Durchdringung und Steuerung des ostdeutschen Literaturbetriebes durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS). Dies verwundert, denn gerade darüber werden zukünftige Generationen am fassungslosesten Rechenschaft verlangen. Eben hier zeigt sich die Verquickung zwischen Tätern und Opfern in ihrer höchsten, ihrer perversesten Form. Denn ebenso wie es ein Trugschluß ist, in der DDR hätten die Autoren und die Macht sich dichotomisch gegenübergestanden, ist es eine irreführende Vorstellung, das Ministerium für Staatssicherheit habe lediglich eine Handvoll kritischer Schriftsteller mit nachrichtendienstlichen Methoden von außen überwacht. Im Gegensatz zum Schweizer Staatsschutz diente das MfS einer einheitlich organisierten Macht, in deren totalitärem Gefüge es erklärtermaßen die Aufgabe hatte, mit seinen spezifischen Mitteln den gesamten Bereich des kulturellen Lebens für diese Macht zu kontrollieren und zu steuern.

Zuständig für den Kulturbereich, der bei der internen Prioritätensetzung der Staatssicherheit einen ähnlich hohen Stellenwert besaß wie die Kirchen und die sogenannte politische Untergrundtätigkeit, war das Referat XX/7, das 1976 auf Befehl von Erich Mielke gegründet wurde. Allein in den zentralen kulturellen Einrichtungen in Berlin, also Kulturministerium und Künstlerverbänden, beschäftigte dieses Referat 350 inoffizielle Mitarbeiter (IM) — Autoren, Künstler, Wissenschaftler und Verwaltungsangestellte, die im Auftrag des MfS Spitzeldienste leisteten. Hinzu kam eine bislang unbekannte Zahl von Informanten auf Bezirks- und Kreisebene, denn die Überwachung von Schriftstellern wurde ebenso wie bei anderen Stasi- Opfern normalerweise von den Kreisdienststellen organisiert.

Führungsoffiziere dieses Referates oder eigens gebildete Arbeitsgruppen entwarfen mit geradezu wissenschaftlicher Akribie sogenannte Maßnahmepläne und Bearbeitungskonzeptionen, wie die Ziele des MfS „planmäßig“ realisiert werden sollten. Ihre Umsetzung erfolgte nicht nur mit Hilfe eines gigantischen technischen und personellen Apparates, der für alle Formen der verdeckten Arbeit (von der Postkontrolle, über die computergestützte Schrifterfassung bis zur Überwachung der Kontenbewegungen) bereitstand, sondern notwendigerweise in enger Zusammenarbeit mit den übrigen Institutionen — dem Ministerium für Kultur, der Kulturabteilung im Zentralkomitee, mit den Funktionären des Schriftstellerverbandes sowie den Mitarbeitern von Verlagen oder Kulturhäusern. Wie diese Wirkungsinstrumente zusammengeführt wurden, um den DDR- Geheimdienst in die Lage zu versetzen, kritische Autoren systematisch mit Spitzeln zu umgeben, sie auszuhorchen und zu beeinflussen, Konflikte und Intrigen zu organisieren und schließlich ihre psychischen Widerstandskräfte zu brechen, kann man erahnen, wenn man die Auszüge aus den Stasi-Vorgängen von Reiner Kunze und Erich Loest liest.

Wie das MfS im Kulturbereich konkret operierte, zeigt eine „Konzeption zur Sicherung und Bearbeitung ausgewählter Bereiche und Personen Kunst- und Kulturschaffender“ mit dem Decknamen „Kobra“, die Bürgerkomitees bei der Auflösung der MfS-Dienststelle in Neubrandenburg fanden. Unter Berufung auf eine Dienstanweisung von Stasi-Minister Mielke aus dem Jahre 1969 wird darin detailliert beschrieben, wie sogenannte „feindlich-negative Kräfte“ im Kulturleben dieses eigentlich ziemlich stillen DDR-Bezirks aufgeklärt, bearbeitet und zersetzt wurden. Der „Schriftstellerverband einschließlich Nachwuchsbereich/junge Autoren“ wird darin als Schwerpunktprojekt definiert, und unter dem Stichwort „Methoden“ finden sich Stichworte wie die folgenden: Erkennen feindlich-negativer Kräfte und Eindringen in das inoffizielle, konspirative Verbindungssystem, Dokumentation von Zusammenkünften, deren Inhalten und Klärung des Vertraulichkeitsgrades der miteinander kommunizierenden Personen, IMB-Werbung (IMB: Inoffizieller Mitarbeiter mit Feindberührung) besonders beim Nachwuchs zwecks langfristiger, inoffizieller Wirkungsmöglichkeit, Zusammenwirken mit Parteiführung und anderen gesellschaftlichen Kräften, Schaffung einer Mißtrauensatmosphäre, Verunsicherung und Zersetzung etc. Zu den konkreten Aufgaben gehörte unter anderem die Überwachung von „Nebenwohnungen, Datschen, Künstlererholungsstätten“ sowie die „Durchdringung und Persönlichkeitsaufklärung“ von allen künstlerisch Einzelschaffenden. Insgesamt waren für solche Aufgaben in Neubrandenburg 1981 75 Spitzel im Einsatz — bei steigender Tendenz.

Opfer wurde zum Beispiel ein Autor, von dem Hinweise vorlagen, daß er

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Opfer wurde zum Beispiel ein Autor, von dem Hinweise vorlagen, daß er sich mit bestimmten Mißständen in der DDR wie der Schönfärberei in den Medien schriftstellerisch auseinandersetzte. Obgleich er sehr zurückgezogen lebte und, wie es hieß, keinerlei Neigung zu „Demonstrativhandlungen in der Öffentlichkeit“ erkennen ließ, machte ihn das MfS zweieinhalb Jahre lang zum Gegenstand einer sogenannten „Operativen Personenkontrolle“ (die Vorstufe eines „Operativen Vorgangs“). Das bedeutete, daß seine Kontakte aufgeklärt wurden, seine Schrift erfaßt, seine Post kontrolliert, sein Konto überwacht, seine Wohnung heimlich durchsucht und dabei seine Bücher, Zeitschriften und Schallplatten inventarisiert sowie Zeugnisse, Briefwechsel, Aufzeichnungen und Manuskripte kopiert wurden. Zusätzlich wurde er durch Informanten beobachtet, um seine Ziele, Pläne und Absichten aufzuklären. Die Staatssicherheit sorgte zugleich dafür, daß der Autor weder ein Fernstudium noch eine Tätigkeit am Theater aufnehmen konnte, denn die Organisation des beruflichen Mißerfolgs war eine der wichtigsten Zersetzungsstrategien der Stasi.

Daß Schriftsteller an diesem Punkt besonders angreifbar waren und deshalb leicht zu Wohlverhalten gezwungen oder zur Spitzeltätigkeit erpreßt werden konnten — dieser Ansicht ist auch der Sonderbeauftragte der Bundesregierung zur Verwaltung der Stasi-Akten, Joachim Gauck. Gauck, der sich in seinem kürzlich erschienenen Buch ausführlich über die schwierige Grenzziehung zwischen Tätern und Opfern äußert, weist darauf hin, wie vielfältig die Ansatzpunkte der Stasi, Menschen unter Druck zu setzen, gerade bei den Künstlern waren, die sehr sorgfältig abwägen mußten, wie kooperationswillig sie sein wollten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Da für die meisten dieser praktischen Fragen im Leben der Schriftsteller der Verband (und manchmal das Ministerium) zuständig war, fällt diesem ein so hohes Maß an Verantwortung für das differenzierte Bedienen der Erpressungsinstrumente zu.

Weniger klar ist bisher, wie das Zusammenspiel zwischen Staatssicherheit und den offiziellen kulturellen Institutionen konkret funktionierte. Die Beteiligten, gleichgültig ob Kulturminister, Verbandspräsidenten oder ZK-Sekretär, schweigen dazu konsequent, und die schriftlichen Unterlagen, sofern sie (noch) existieren, sind durch den Einigungsvertrag für eine Aufarbeitung blockiert. Hinweise gibt allerdings eine Anordnung von Klaus Höpcke, die in einer MfS-Information „zu aktuellen Problemen der politisch-operativen Lage unter Schriftstellern der DDR“ aus dem Jahre 1983 gefunden wurde. Darin wird beispielsweise festgelegt, daß das Kulturministerium im Vorfeld von Lesungen konkrete Hinweise zusammenstellen sollte, wie die eingeladenen Autoren politisch einzuordnen und welche vorbeugenden Maßnahmen einzuleiten wären, um den „politischen Erfolg“ der Veranstaltung zu garantieren. Die gleiche Aufgabe kam auch den Leitern der belletristischen Verlage zu, die überdies dafür zu sorgen hatten, daß bei Lesungen mit politisch zweifelhaften Autoren ein politisch zuverlässiger Verlagsmitarbeiter anwesend war. Darüber hinaus sollte das Kulturministerium dem MfS kurzfristig Vorschläge unterbreiten, wie bei dezentral organisierten Veranstaltungen öffentlichkeitswirksame feindliche Aktivitäten vorbeugend auszuschließen seien.

Die Staatssicherheit betätigte sich auch als „Gutachter“, wenn es darum ging, über die Veröffentlichung eines Buches zu entscheiden. In der Regel konnte sie dafür auf dienstbeflissene Germanisten zurückgreifen, bei besonders heiklen Themen griffen die Offiziere aber auch selbst zur Feder. So wurde beispielsweise Stefan Heyms Roman Fünf Tage im Juni vom MfS gleich dreimal begutachtet, um dem Verlag, wie es hieß, eine Entscheidungsgrundlage zu liefern — zum erstenmal 1960, dann 1974 und noch einmal 1989. In den ersten beiden Gutachten wird eine Veröffentlichung rundweg abgelehnt, das dritte sollte im Auftrag von Klaus Höpcke beurteilen, ob Heyms Beschreibung des 17.Juni sachlich richtig sei — was die Stasi übrigens bejahte. Das gleiche Verfahren wurde auch bei Stefan Heyms Roman Collin praktiziert, der im März 1978 von der Stasi „mit den Machwerken Alexander Solschenizyns“ verglichen wurde und deshalb nur in der Bundesrepublik erscheinen konnte.

Vor diesem Hintergrund muß man davon ausgehen, daß die Entscheidungen von Verlagen und Lektoren in der DDR in ungleich größerem Maße vom MfS gesteuert wurden als bisher angenommen. Literaturwissenschaftler werden sich an die Vorstellung gewöhnen müssen, daß ganze Romane in den Amtsstuben der Stasi zumindest mitgeschrieben wurden. Denn manches, was einem Autor gegenüber als Sachargument vorgetragen wurde, war die Folge einer politischen Einflußnahme, die per Anweisung oder durch einen (getarnten) MfS-Mitarbeiter im Verlag erfolgte. Der Weg von der Staatssicherheit zum Autor war in diesen Fällen ein indirekter, aber nicht weniger wirkungsvoller.

Nach dem Verständnis der DDR- Staatssicherheit hatten krtitische Bestrebungen keine innenpolitischen Ursachen, sondern waren grundsätzlich von sogenannten feindlichen Kräften im Ausland inspiriert und gesteuert, insbesondere solchen in der Bundesrepublik, die im MfS-Jargon unter dem Begriff „Operationsgebiet“ firmierte. Deshalb machten die Versuche zur Einflußnahme keineswegs an der Staatsgrenze der DDR halt, sondern stützten sich auch in der alten Bundesrepublik auf eine bislang unbekannte Zahl von Spitzeln sowie auf (kostenlose) Sympathisanten und gutgläubige Kooperationspartner von offiziellen DDR-Institutionen — zum Beispiel den „Verband deutscher Schriftsteller“ (VS), der den „Dialog mit den sozialistischen Staaten“ auf seine Fahnen geschrieben hatte. Reiner Kunze wurde auf diese Weise auch nach seiner Ausreise weiterhin systematisch „isoliert“ und „zersetzt“, und in der erwähnten Höpcke-Anordnung werden als „feindliche Kräfte“ im Westen, die „operativ“ überwacht und bearbeitet wurden, unter anderem namentlich Günter Grass, Johanno Strasser sowie führende Vertreter westdeutscher Verlage genannt. Einen merkwürdigen Beigeschmack bekommt vor diesem Hintergrund auch der kürzlich bekannt gewordene Brief des früheren VS-Vorsitzenden Bernt Engelmann vom Oktober 1987, in dem er Hermann Kant im vetraulichen Ton Rapport erstattet über die eine Woche zuvor erfolgten Vorstandswahlen des Verbandes.

Dies alles böte Stoff genug für gründliche Bemühungen um Aufarbeitung — die jedoch nirgendwo in Sicht sind. Eine Ausnahme unter den ehemaligen Mitgliedern des inzwischen aufgelösten DDR-Schriftstellerverbandes bildet in dieser Hinsicht nur der Ostberliner Autor Joachim Walther, der im Januar dieses Jahres gegen den Widerstand von Hermann Kant und anderen linientreuen DDR-Autoren ein Buch herausgab, das die Schriftstellerausschlüsse des Jahres 1979 Wort für Wort dokumentiert. Allerdings stößt Walther bei seinen Recherchen über das Wirken der Staatssicherheit unter den Literaten seit Wochen auf eine Wand des Schweigens, so daß er inzwischen den Eindruck gewonnen hat, daß eine Aufklärung bewußt und in Absprache zwischen den Beteiligten boykottiert wird.

Während in der ehemaligen DDR- Opposition und in den Kirchen seit Monaten das große Erschrecken grassiert, wie viele Menschen aus den eigenen Reihen sich zur Zusammenarbeit mit dem MfS bereit fanden, ist man bei den Schriftstellern immer noch auf Mutmaßungen und eine Handvoll freiwilliger — allesamt unbedeutender — Offenbarungen von ehemaligen MfS-Informanten angewiesen. Nur wenn ein Autor in den öffentlichen Dienst will und dabei einer Überprüfung unterzogen wird, besteht — wie im Fall des kürzlich als IM enttarnten Leipziger Stadtrats für Kultur, Bernd Weinkauf, — die Möglichkeit, ihn auf eine Stasi-Mitarbeit zu überprüfen.

Diese Lage dürfte sich allerdings ändern, wenn der deutsche Bundestag wie geplant noch vor der Sommerpause das sogenannte Stasi-Unterlagen-Gesetz verabschiedet. Dann nämlich hat jeder, der vom DDR-Geheimdienst überwacht wurde, das Recht, in die über ihn geführten Akten Einblick zu nehmen und die Namen der Spitzel in seinem Umfeld zu erfahren. Auch gesellschaftliche Organisationen — also zum Beispiel der Verband der Schriftsteller — sollen in die Lage versetzt werden, zu erfahren, wer in den eigenen Reihen für das MfS gearbeitet hat, und in der Behörde des Sonderbeauftragten wird eine eigene Abteilung zur politischen und historischen Aufarbeitung ihre Arbeit aufnehmen.

Unter diesen Umständen wird es womöglich schon im Herbst eine Welle der Enttarnung von früheren Stasi-Informanten geben — und damit die Voraussetzung geschaffen, das beredte Schweigen der Schriftsteller zur Verstrickung in die Arbeit des Staatssicherheitsdienstes zu brechen. Den Tätern dürfte es schwerer fallen, ihre Täterschaft mit der bislang gezeigten verblüffenden Frechheit abzustreifen, und der VS wird darüber zu beraten haben, ob er — wie unlängst bei Hermann Kant — die Entscheidung über eine Mitgliedschaft auch dann noch den Zufallsmehrheiten seiner Landesverbände überlassen will, wenn Autoren ihre Kollegen im Auftrag der Staatssicherheit bespitzelt haben. In jedem Fall werden wir mehr erfahren über das inzestuöse Verhältnis zwischen Literatur und Macht, das so vielen ostdeutschen Autoren bis heute den Mund verschließt.

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