: Frachter, die während der Fahrt leichter werden
Bericht eines Steuermanns, der auf einem ägyptischen Fischkutter im Mittelmeer gearbeitet hat/ Eines Tages verfingen sich stinkende Fässer statt Fischen im Netz/ Sie waren von einem anderen Schiff „gefallen“/ Dann folgten Gewehrschüsse ■ Von Habib ben Ekber
Am 4. Juni 1989, einem Sonntag, zerriß uns ein großes Container- Frachtschiff im Morgengrauen unser Netz. Wir fischten damals etwa 100km vor Monastir (Tunesien) mit einem 20km langen, in Schleifen ausgelegtem Netz, vorschriftsmäßig gekennzeichnet und mit Leuchtbojen versehen. Das Frachtschiff reagierte weder auf akustische Signale noch auf Funkrufe, es fuhr einfach mitten durch unser Netz. Ein Teil, etwa acht Kilometer lang, blieb dabei an unserer Seite, der Rest schien sich am Frachter verhakt zu haben. So fuhren wir hinter dem Schiff her, um es auf die Gefahr einer Schraubenblockade aufmerksam zu machen. Da wir einen recht alten Kutter hatten, kamen wir nur sehr langsam näher. Dabei machten wir merkwürdige Beobachtungen.
1.Als wir den uns verbliebenen Netzteil einzogen, entdeckten wir an einer bestimmten Stelle statt Fischen und Tang Fässer und allerlei Gerümpel in einer derartigen Dichte, daß es sich nicht um das übliche verstreut herumschwimmende Zeug handeln konnte.
2.Das Schiff vor uns kam Meile um Meile immer höher aus dem Wasser heraus, etwa auf der Höhe von Tripolis war bei Wellengang seine Kiellinie zu sehen.
3.An die Stelle, wo der Name des Schiffes stand, waren Blechstücke gehängt, so daß eine Identifikation nicht möglich war; die Flagge war total ausgebleicht.
Das Treibgut stank stark, einige der Matrosen, die ein Faß hochhievten, bekammen bald Brennen an den Händen. Da das Zeug offenbar von dem Frachter stammte, wollten wir ihn genauer identifizieren. Bei Annäherung auf cirka eine Viertelmeile begann man von dort aus, auf uns mit Gewehren zu schießen. Wir informierten nun die umliegenden Hafenbehörden; das Schiff entzog sich durch immer schnellere Fahrt (weil es immer leichter wurde) unserer Verfolgung, gegen Mittag kam es außer Sicht.
Gegen zwei Uhr kam ein libysches Küstenwachboot auf uns zu. Wir wollten es auf den Vorfall aufmerksam machen. Zu unserem Erstaunen gab das Boot aber sofort Zeichen, ihm zu folgen und feuerte mit einer Kanone in die Luft, als wir nicht sofort folgten.
Wir wurden cirka acht Meilen vor Misurata eskortiert und mußten unser Schiff verlassen, trotz unserer Proteste, wir seien doch ägyptische Staatsbürger. Die Hafenpolizei behauptete, die von uns hochgezogenen Fässer hätten wir versenken wollen. Nach drei Tagen kamen wir wieder frei, ohne Erklärung. Das Schiff war inzwischen in einen Seitenteil des Hafens von Tripolis geschleppt worden. Eine Durchsuchung hatte aber offensichtlich nicht stattgefunden.
Als wir aus den libyschen Gewässern herauskamen, suchten wir Kontakt zu anderen Fischern, die damals vor Ort waren. Kollegen aus Italien und Frankreich rieten uns sofort, da nicht nachzuhaken. Seeleute aus nordafrikanischen Ländern berichteten, daß sie solche Erlebnisse bereits öfter gehabt hätten. Auch gab es Gerüchte, daß bereits mehrere Seeleute an Erkrankungen gestorben seien, die sie nach Berührung mit solchem Gut bekommen hatten. Doch wenn sie sich an die Behörden ihres Heimatlandes wandten und Anzeige erstatteten, bekamen sie Schwierigkeiten. Einige der erkrankten Matrosen wurden ins Ausland zur Untersuchung gebracht, vielleicht in die UdSSR oder nach Frankreich. Sofern sie starben, erfuhren die Angehörigen nicht, wo sie gewesen und woran sie gestorben waren. Unser Schiff selbst wurde nicht weiter behelligt.
Wir haben uns in Ägypten an das Marine- und das Außenministerium gewandt, doch dort weiß man angeblich von alledem nichts. Einige der bei uns sehr schwachen Umweltschutzorganisationen haben versucht, Näheres zu erfahren, aber ebenfalls nicht mehr herausbekommen. Ich selbst habe, seit ich voriges Jahr aus gesundheitlichen Gründen die Seefahrt aufgeben habe, auch nichts mehr davon gehört. Doch als ich mich in Italien als Immigrant melden wollte, bekam ich nach einigen Wochen Besuch von einem Carabiniere, der mich fragte: „Sie sind doch der, der damals die Sache mit dem Frachtschiff aufgebracht hat.“
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