: Die Klänge gehören sich selbst
■ Der Tontechniker und der Künstler — Werkstatt der Klanginstallationen
„Sie sind hier frei. Hier wird Ihnen kein Stück vorgespielt, dem Sie folgen MÜSSEN“. Hans Otte erklärt seine Klang-Installation sehr grundsätzlich, philosophisch. Er polemisiert gegen solche, die die „Klänge benutzen zur Krönung von Ego-Karrieren“, das zielt auf die Solisten renommierter Plattenfirmen. Er polemisiert gegen Kunst, die nur etwas anderes illustrieren oder garnieren soll: „Kunst ist nicht Mittel, sie ist sie selbst.“ Seine Klänge haben deshalb kein Zentrum, spielen sich nicht als Autorität auf — „wer sich ihnen öffnet, wird eins mit ihnen“, das ist das in der Kunst „angelegte Wunder“.
Begleitet wird Hans Otte seit 1974 von einem Tonmeister von Radio Bremen, Andreas Heintzeler. Für ihn ist die Beschäftigung mit den künstlerischen Projekten Ottes natürlich eine Abwechselung, „ich war immer sehr an der technischen Seite des Berufes interessiert“. Und so nimmt er die Hektik in Kauf, wenn die Klang- Ausstellungen in kürzester Zeit aufgebaut werden müssen, auch die „halbprofessionellen Mittel“ wie etwa die kleinen Cassettenrecorder, mit denen Otte arbeitet und ein wenig mitrauschen. Warum die rechteckigen Platten um die Lautsprecher? Ganz einfach, erklärt Heintzeler: Weil die Instrumente der Klangausstellung in einen PKW passen müssen. Die Platten schützen vor Stößen. Die Sprach-Töne sind ganz schlicht mit dem Tonband aufgenommen. Die Klänge über die Technik der Ringmodulation des gewöhnlichen, fast schon veralteten Synthesizers produziert. Zur Wiedergabe der Klänge hat Heintzeler die einzelnen Lautsprecher, die im Wohnzimmer aus einer Box zusammen klingen, auf vier Bretter getrennt aufgeschraubt — der Vorbeigehende hat so den Tieftöner vor der Nase und den Hochtöner zwei Meter weiter. Der Zufall spielt durchaus mit bei den Anordnungen.
Die einfache technische Realisierung macht den Vorgang durchschaubar und legt die künstlerische Absicht bloß. Otte arbeitet intuitiv, bannt plötzliche Produkte des Probierens am Synthesizer auf Cassette. Beim Gespräch über seine Arbeit am Donnerstag abend kam die Frage nach den Kriterien der Qualität auf: „Darf alles sein?“ Auf diese Frage gibt es für Otte keine befriedigende Antwort, weil sie nach Maßstäben ruft, die der Musik äußerlich wären. „Die Klänge gehören sich selbst“. K.W.
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