piwik no script img

Italienische Kriegsmarine auf Albanienmission

Stille breitet sich über die von italienischem Militär durchgeführte „Hilfsgüterverteilung“ in Albanien/ Diskussionen über italienischen Balkan-Stützpunkt/ Protest des albanischen Thronfolgers Leka bisher einzige Gegenreaktion  ■ Aus Rom Werner Raith

So ganz gerne hören die Kollegen der italienischen Zeitungen nicht her, wenn der taz-Korrespondent sie penetrant auf das Fehlen größerer Artikel über ein sonst doch eher erregendes Thema hinweist: die Landung eines fünfhundert Mann starken Truppenkontingents der Republik Italien in Albanien. „Wir haben doch Krieg in Jugoslawien“, brummt einer vom 'Corriere‘, in 'la Repubblica‘ weist man auf einen halbseitigen Artikel hin, 'L'Unita‘ glaubt mit einer kleinen Vorabmeldung und einem Kurzartikel ihrer Informationspflicht Genüge getan zu haben.

Nominell geht es nur um die Verteilung von Hilfsgütern im hungrigen Albanien. Die mußten, so wurde beschlossen, nicht mit irgendeinem Frachter, sondern auf dem Versorgungsschiff „Golfo del sole“, Sonnengolf, der italienischen Kriegsmarine zum albanischen Hafen Durazzo geschippert werden. Und verteilen dürfen die Nahrungsmittel und Kleider auch nur die fünfhundert Soldaten. Sie haben keine Waffen bei sich, sind ohne Uniform, aber alle sind eben Soldaten, ihre Lastwagen tragen das Kennzeichen EI der italienischen Armee. Warum ausgerechnet sie? „Nur das Militär“, so der Brigadegeneral Antonio Quintana bei der Verabschiedung des Schiffes Mitte September, „kann eine derartige Aktion durchführen“. Kleinlaut überschrieb 'L'Unita‘ ihren Artikel: „Italienisches Heer auf Albanieninvasion — aber nur zu humanitären Zwecken“. Die unterderhand gestreute Version, die hungrigen Albaner würden sich auf die lebensnotwendigen Güter stürzen und einander totschlagen, wirkt angesichts der Waffenlosigkeit der Helfer freilich auch nicht sonderlich glaubwürdig.

Daß die Albaner sich das Einrücken der Italiener so ohne weiteres gefallen lassen, hat mehrere Gründe: schon bei der martialischen Rück- Expedition der Flüchtlinge im August hatten Staatspräsident Cossiga und danach auch Außenminister De Michelis bei — unangekündigten und ungebetenen — Besuchen in Tirana geradezu ultimativ ihre Forderungen auf den Tisch gelegt: keine Flüchtlinge mehr in Richtung Italien, notfalls seien sie durch Militäraktionen zu unterbinden. Gleichzeitig hatten verschiedene Politiker laut darüber nachgedacht, ob man das Land am Balkan, während der ersten Hälfte des Jahrhunderts nach Mussolinis Einfall italienische Kolonie, nicht zu einer Art Protektorat Italiens machen solle. Als die Albaner leise protestierten, drohten die Italiener nicht nur, die Hilfsgüter zu streichen, sondern auch die EG von weiterer Hilfe abzuhalten. Die Regierung in Tirana schweigt seither.

So blieb der einzige hörbare Protest gegen den Soldateneinfall ein geharnischter Brief des albanischen Thronprätendenten Leka an Staatspräsident Cossiga wegen „Verletzung der staatlichen Souveränität“.

Italiens Medien ihrerseits hüllen sich in Schweigen, seit — dies war der Inhalt des einzigen größeren Artikels in 'la Repubblica‘ — klarwurde, daß die Albaner trotz der brutalen Rücksende-Aktion vom August die ankommenden Soldaten weder mit Eiern noch mit Beleidigungen bewarfen, sondern allenfalls schweigend anstarrten oder schon mal ein V-Zeichen machten. Die Fernsehberichterstattung erstarb nach der Ankunft der Soldaten ganz. „Was willst du denn“, fragt der Kollege vom 'Corriere‘, „eine rechte Einstellung zu der Sache hat doch niemand: lobt man, ist man ein Imperialist, schimpft man, ist man antihumanitär.“

Das Medienschweigen hat wohl noch andere Gründe. Unverkennbar breitet sich, je mehr der Jugoslawienkonflikt sich italienischem Territorium nähert, auch wieder eine Art Groß-Italien-Sucht aus — und die Presse steuert kaum dagegen. Schon munkeln Außenamtsbeamte etwas von einer bevorstehenden Anerkennung Kroations und Sloweniens mit einer Unverletzlichkeitsgarantie der italienischsprachigen Bezirke in Istrien und Dalmatien. Vor der Küste, so kündigte das Verteidigungsministerium an, patrouilliert bereits die Kriegsmarine in massiver Formation. All das kann bereits jetzt als eine Art Vor-Kriegserklärung gegen Serbien gedeutet werden kann. Der Truppeneinzug in Albanien, wenn auch „friedlich und ohne Waffen“ symbolisiert da der Welt, daß die Italiener bereits einen Brückenkopf auf dem Balkan besitzen. Nur allzulaut möchte man das selbst eben doch noch nicht heraussprudeln —jedenfalls nicht, bevor man weiß, wie ärgerlich die Welt darauf reagieren wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen