piwik no script img

Nachtbahnen sind billiger als Busse

■ Erhebung beweist: Andere große Nahverkehrsunternehmen betreiben Busse und U-Bahnen viel wirtschaftlicher als die BVG/ Grüne fordern, daß jetzt Wirtschaftsprüfer BVG-Haushalt durchforsten

Berlin. Der öffentliche Nahverkehr ist in der zugestauten Hauptstadt besonders teuer: Für den Betrieb von Bus&Bahn geben die Berliner Verkehrs-Betriebe (BVG) weit mehr aus als Unternehmen in westdeutschen Großstädten.

Das geht aus einem Kostenvergleich mit Verkehrsgesellschaften im Rhein-Ruhr-Gebiet, in Frankfurt, Hamburg und München hervor. Verkehrssenator Haase (CDU) geriet deshalb vergangene Woche im Hauptausschuß des Parlaments ins Schlingern.

So mußte der Senat 1989 einen Platz in BVG-Bussen pro 100 Kilometer mit 8,40 DM subventionieren. Laut der unter Verschluß gehaltenen Erhebung waren die Zuschüsse damit mehr als dreimal so hoch wie beim Hamburger Verkehrs-Verbund HVV (2,65 Mark). München mußte nur 2,91 Mark zuzahlen, Nürnberg 4,34 Mark und Frankfurt 4,70 Mark. Ebenso ungünstig fällt der Vergleich bei der U-Bahn aus: Pro 100 Kilometer kostete in Berlin ein Platz rechnerisch 2,37 Mark. München benötigte mit 41 Pfennig nicht einmal ein Sechstel. Frankfurt hatte ein Defizit von 1,35 Mark, Hamburg von 1,94 Mark.

Ein offizieller Bericht des Verkehrssenators enthält jedoch nur Durchschnittskostenwerte von drei nicht genannten westdeutschen Vergleichsbetrieben. Haase: Die fünf städtischen Unternehmen hätten »selbst in anonymisierter Form eine Bekanntgabe der Bilanzdaten abgelehnt«. Die BVG dürfe dies nicht stellvertretend tun.

Der Aufstellung zufolge kostete bei der BVG der Bus-Fahrbetrieb je 100 Kilometer auf den einzelnen Sitzplatz umgeschlagen rechnerisch 11,17 Mark. Bei den drei Vergleichsbetrieben aber lediglich 6,91 Mark. Der U-Bahn-Fahrbetrieb der BVG verschlang 4,97 Mark, wohingegen die westdeutschen Verkehrsunternehmen mit 3,04 Mark hierfür unter dem Strich ebenfalls weniger aufwendeten. Am schlechtesten schneidet die BVG bei den Kosten für die Betriebshöfe ab: Während die BVG Durchschnittskosten von 71 Pfennig angab, wurde für die drei anderen Betriebe der Tiefstwert von 7 Pfennig ermittelt.

Der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Grüne, Michael Cramer, fordert nun, daß externe Wirtschaftsprüfer den Haushalt von BVB (Ost) und BVG (West) auf Einsparungsmöglichkeiten hin durchforsten. Nach Ansicht des Verkehrsexperten könnte die BVG am meisten sparen, wenn sie U- und S- Bahnen auch nachts rollen lassen würde. Dann könnte nämlich das teure parallele Nachtbusliniennetz entfallen. Während der nächtlichen Betriebspause sei ohnehin beinahe das gesamte BVG-Personal auf den Bahnhöfen anwesend. Auch das Verbot des Mitteleinstiegs in die Busse bringe Verluste in zweistelliger Millionenhöhe — wegen längerer Aufenthalte an den Haltestellen.

Einsparpotentiale im Busverkehr hatte bereits der Rechnungshof gesehen. Die Rechnungsprüfer stellten fest, daß die BVG 1,5 Millionen DM einsparen könnte, wenn sie die Laufzeit der Busse von 12 auf 14 Jahre verlängerte.

Auf seiten der BVG weisen die Verantwortlichen unterdes den Vorwurf der Mißwirtschaft weit von sich. Im Vergleich zu Westdeutschland sei das Leistungsangebot besser, heißt es. Dies koste natürlich auch mehr. Beispielsweise leisteten sich die anderen Großstädte kein Nachtbusnetz. Auch sei die BVG gesetzlich gezwungen, zahlreiche defizitäre Buslinien am Stadtrand zu betreiben. Erst jetzt könne man beginnen, sich diese Aufgaben mit Umland-Verkehrsgesellschaften zu teilen, indem die Linien nach Brandenburg verlängert würden. Berücksichtigt werden müsse auch, daß man aufgrund der Insellage Berlins bis 1989 gezwungen gewesen sei, eine große Zahl von Bussen und U- Bahnwagen in »Reserve« zu halten. Die Kosten der Betriebshöfe seien deshalb so hoch, weil diese »in den 60er und 70er Jahren nicht modernisiert werden konnten«, so Personalrats-Mann Wilfried Mehner. Auch sei die dreiminütige »Rüstzeit« an den Endhaltestellen immer noch notwendig — trotz Fahrzielanzeige per Knopfdruck. »Aber in dieser Zeit hat der Fahrer den Wagen auch nach Fundsachen abzusuchen, er muß den Stempel und den Fahrkartenentwerter umstellen und den Bus von außen inspizieren.«

Die Wirtschaftlichkeitsrechnung hängt allerdings stark von der gewählten Statistik ab: Rechnet man die Kosten auf die Fahrgäste um und nicht auf die Fahrgastplätze, dann schneidet die BVG mit einem Platz »im Mittelfeld« besser ab. So fallen zwar für jeden Busfahrgast mit 50,83 Mark immer noch mehr Kosten an als in Westdeutschland (39,40 Mark). Bei den U-Bahn-Kunden sieht es allerdings schon rosiger aus: Berlin wendet 21,54 Mark auf, die Westbetriebe 21,84 Mark. Werden noch die weiteren Betriebskosten addiert, müsse die BVG pro Fahrgast 30,92 Mark aufwenden, während die Vergleichsbetriebe bei 31,64 liegen. Kein schlechter Schnitt. Pro Platz gerechnet sieht die BVG allerdings bei den betrieblichen Gesamtkosten wieder sehr alt aus. Der Fahrgastplatz in U-Bahn oder Bus kostet durchschnittlich 7,03 Mark. Im Westen werden nur 4,63 Mark fällig.

So belegt mit Zahlen jeder das, was der eigenen Sache dienlich ist. Thomas Knauf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen