piwik no script img

BunsenbrennerMacho bis ins Hirn

■ Wie afrikanische Stichlinge sich vermehren

Zuweilen steigt der Machismo den männlichen Wesen total zu Kopf. Dafür haben US-amerikanische Wissenschaftler jetzt eindeutige Beweise geliefert. Russell Fernald von der Stanford Universität (Kalifornien) beobachtete bei afrikanischen Stichlingen, daß Männchen, die ein großes Territorium verteidigen und andere Männchen in Schach halten, sechs- bis achtmal größere Hirnzellen im Hypothalamus besitzen als nicht dominierende Männchen oder Weibchen. Die Zellen regulieren die Paarungsfähigkeit der Fische. Doch bei den Stichlingen ist mann nicht Macho fürs Leben.

Wenn der Stichlings-Chef seine Machtposition verliert, bilden sich seine hypothalamischen Powerzellen zurück, seine Hoden schrumpfen und er wird paarungsunfähig. Außerdem wechselt sein Schuppenkleid von schillernden Regenbogenfarben zu bescheidendem beige.

Fernald fiel der ausgesprochene Machismo der Stichlinge zuerst am Tanganjikasee auf. Nur zehn Prozent der Männchen kontrollieren den gesamten Lebensraum der Fische und alle Weibchen. Fällt einer der Herrschenden jedoch einem Freßfeind zum Opfer, bricht unter den bis dahin friedfertigen männlichen Massen ein brutaler Kampf aus. Fernald: „Sie jagen sich, beißen, schlagen mit den Schwänzen; es sieht äußerst schmerzhaft aus“. Wer siegreich hervorgeht, mausert sich innerhalb weniger Tage zum Führer, läßt seine Gonaden schwellen und produziert Samen.

Dieses Schauspiel gefiel Fernald so gut, daß er die Fische ins Labor holte und sie dort mal zum Macho-, mal zum Untertan-Dasein verdammte. Er setzte große, agressive Männchen, gegen die gegenwärtige Herrscher der Schule keine Chance hatten, in bestehende Stichlingsgemeinschaften ein. Dabei stellte er fest, daß das veränderte Sozialverhalten tatsächlich den anatomischen und physiologischen Veränderungen vorausgeht. Der neue Herrscher beginnt bereits nach Stunden seine Hypothalamuszellen zu vergrößern, die dann für eine vermehrte Ausschüttung eiens Sexualhormons sorgen.

Fernald sieht seine Entdeckung als Beitrag zur Debatte, ob Verhalten biologisch angeboren oder von der Umwelt diktiert wird. Offensichtlich „beeinflußt in diesem Fall das soziale Umfeld die Biologie“, meint er — ein Beweis dafür, daß „diese Debatte von vornherein falsch war“.

Was für die Stichlinge stimmt, kann möglicherweise auch für andere Lebewesen zutreffen. Die entsprechenden Gehirnzellen sind bei höheren Tieren und auch beim Menschen ähnlich beschaffen.

In einem Punkt hat es ein Stichlingsmacho allerdings weit schwerer als sein menschliches Gegenstück. Wegen ihrer auffallenden protzigen Schuppenkleider fallen die fischigen Männchen leicht ihren Feinden zum Opfer. Die genügsamen Untertanen leben länger. Der natürliche Feind des Menschen fehlt offensichtlich an allen Ecken und Enden. Silvia Sanides

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen