: Prostitution bald auch in Berlin kaserniert?
■ Münsteraner Betriebswirt machte Bezirk Mitte den Vorschlag, Prostitution in gigantischem Bordell zu konzentrieren/ Bündnis-Frauen empört
Mitte. Ungewöhnliche Zeiten treiben abenteuerliche Blüten: Der Wirtschaftsausschuß der Bezirksverordnetenversammlung Mitte befaßte sich auf seiner jüngsten Sitzung mit dem Konzept eines Münsteraner Betriebswirts, der in der Berliner Innenstadt einen gigantischen Bordell- Komplex errichten möchte. Auf einem Abrißgrundstück zwischen der Oranienburger- und Augustraße, so der Plan von Helmuth Leuters, soll ein großer Neubau mit Schwimmbad, Fitness-Räumen, Saunen, Solarien und Appartments errichtet werden, in dem 300 weibliche und 90 männliche Prostituierte ihre Dienste anbieten können. Baukosten: 48 Millionen Mark.
Sinn und Zweck »der Konzentration« ist Leuters zufolge, »die Eindämmung der Kriminalität«. Außerdem könnten auf diese Weise Fiskus und Investoren von den Einnahmen der Prostituierten profitieren. Für das Gelingen des Unternehmens sei es natürlich erforderlich, daß der Senat in Gesamt-Berlin mindestens vier solcher Zentren errichte und die übrige Prostitution in der Stadt — vom Straßenstrich über das Sauna-Bordell bis hin zur »Telefonkontakt-Prostitution« — total verbiete.
Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Benno Hasse (ehemals Bündnis 90, jetzt parteilos) betonte gestern, daß Leuters das Konzept aus freien Stücken unterbreitet habe. Er selbst, so Hasse, habe sich lediglich einmal mit dem Münsteraner zu einem Gespräch getroffen, nachdem er von diesem angesprochen worden sei. Hintergrund ist, daß Benno Hasse vor einem Jahr mit der Idee, in Mitte ein kommunales Bordell zu gründen, für Furore gesorgt hatte. Inzwischen findet er jedoch selbst, daß dieser Vorschlag reichlich naiv war. Er vertritt zwar nach wie vor, daß der für die Frauen »ungesunde« Straßenstrich eingedämmt werden müsse, favorisiert jetzt aber die Einrichtung von selbstverwalteten Bordellen, wie die Prostituierten-Selbsthilfeorganisation »Hydra« sie vorschlägt. Aber bevor der Gesetzgeber den Zuhälterparagraphen nicht abgeschafft habe, seien solche Projekte nicht realisierbar. Bislang steht das offene Betreiben eines Bordells unter Strafe. Das Konzept Leuters lehnt Hasse ab. Es gehe nicht an, daß der Bezirk aus der Prostitionssausübung Profit schlage.
Die Hauptkritik der Fraktionsvorsitzenden und frauenpolitischen Sprecherin von Bündnis 90/Grüne, Sibyll Klotz, an Leuters Konzept ist, daß der Bezirk damit »als Einzelmacker« an die Stelle der klassischen Zuhälter trete und »massig an den Frauen verdient«. Bündnis 90/Grüne und Hydra treten für eine Autonomie der Huren und eine Anerkennung des Berufes mit sozialer Absicherung ein.
Leuters erklärte auf Nachfrage, daß er jederzeit für eine Realisierung des Konzepts zur Verfügung stehe. Stolz verwies er darauf, daß er zwischen 1981 und 83 vier ähnliche Eros-Center in Istanbul auf die Beine gestellt habe. Dort sei die übrige »illegale Prostitution« mit hohen Ordungstrafen erfolgreich verboten worden. Auch in Köln und vielen anderen bundesdeutschen Großstädten habe man mit solchen Zentren nur gute Erfahrungen gemacht. Daß Zuhälterei strafbar ist, sei bei diesen großen Eros-Centern kein Problem: »Das muß man mit der Justiz absprechen.« plu
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