: Koalitionsriß wegen Bonner Steuerpaket
■ Diepgen stimmt Waigel zu/ SPD fühlt sich hinters Licht geführt/ Unterschiedliche Schilderungen der Abläufe/ Koalitionsausschuß einberufen
Berlin. Das Abstimmungsergebnis des Bundesrates zum Steuerpaket hat die Berliner Regierungskoalition entzweit. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hat dem Vorschlag von Bundesfinanzminister Theo Waigel seine Zustimmung erteilt und damit gegen die mit der Koalitionspartnerin SPD getroffenen Absprachen verstoßen. Kurz nachdem Diepgen gestern mittag das Berliner Stimmverhalten im Bundesrat ankündigt hatte, trat im Rathaus Schöneberg die Spitze der sozialdemokratischen Fraktion und der Partei zusammen, um über diesen Eklat zu beraten. Finanzsenator Norbert Meisner (SPD) kam vorzeitig aus Bonn zurück, um an den Beratungen teilzunehmen.
Am Nachmittag bewertete der Landesvorsitzende der SPD, Walter Momper, Diepgens Verhalten als »eindeutigen Bruch der Koalitionsvereinbarung«. In dem Regierungsvertrag von SPD und CDU ist festgelegt, daß sich beide Koalitionspartnerinnen auf ein Abstimmungsverhalten im Bundesrat verständigen. Wenn keine Verständigung zustande kommt, wird sich enthalten. Noch am letzten Dienstag hatte der Senat auf Wunsch der SPD-Senatoren keine Festlegung über das Stimmverhalten getroffen. Es sollten noch Verbesserungen erzielt werden. Ob diese ausreichend für eine Zustimmung sind, darüber sollte Diepgen sich mit Bundessenator Peter Radunski (CDU) und Finanzsenator Norbert Meisner (SPD) verständigen. Staffelt sieht einen besonderen Vertrauensbruch darin, daß Diepgen noch zehn Minuten vor seiner entscheidenden Rede im Bundesrat mit ihm telefoniert habe, während sein Abstimmungsverhalten bereits festgestanden habe.
Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Klaus Landowsky gab gestern allerdings ein anderes Bild der Abläufe. Danach habe Finanzsenator Norbert Meisner bereits am Freitag morgen »keine abweichende Meinung« abgegeben, als Diepgen in einem internen Gespräch das Berliner Stimmverhalten festgelegt hatte. Diese Schilderung wurde jedoch gestern abend von Meisner als »völlig absurd« bezeichnet. Er habe Diepgen »klar signalisiert«, daß die Ergebnisse aus seiner Sicht nicht ausreichten und die SPD sich nicht in der Lage sehe, dem zuzustimmen. Meisner habe Diepgen auf die Koalitionsvereinbarung hingewiesen.
Die Sozialdemokraten fühlen sich hinters Licht geführt. Sie wollen nun den Koalitionsausschuß einberufen. Dieses Krisengremium, in dem die Partei- und Fraktionsspitzen von CDU und SPD vertreten sind, tritt damit, nach dem Konflikt um die »PDS-Richterin« zum zweiten Mal innerhalb von zehn Tagen zusammen. Es hänge nun, nach den Worten Mompers, davon ab, »ob die CDU die Gleichrangigkeit der beiden Regierungspartner anerkennt oder nicht. Ohne das ist keine Koalition zu führen.« Dieter Rulff
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