: Oberstadtdirektor heiratet Idi Amin
■ Schwindelerregend: Underground-Ini sammelt Fälschungen aller Art / Ein Geheimtreff mit Herrn Schulze, Spaßguerillero
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Die Steuerbanderole von Prince Denmark ist mit genau demselben Wellenwirrwarr bemustert wie der, hihi, fälschungssichere Perso. Jetzt dämmert Ihnen vielleicht, was Ihre Kids anstellen, wenn sie noch nicht in die Disco dürfen: Ganz recht, die nehmen Klebstreifen und Schere und basteln sich aus den Nikotinwerten ein neues Geburtsjahr.
Anderer Fall: Unlängst schockierte Ihre geschätzte Bremer taz unter Berufung auf ein Institut mit folgender Meldung: Dauervibrationen beim Motorradfahren führen mit der Zeit zu Haarrissen im Gebiß! Über diese erstunkene Story stürzte der norddeutsche Journalismus in ein schweres Recherchefieber, und erfahrene Redakteure telefonierten sich in ihr Unglück.
„Ja“, sagt der kleine Herr Schulze, 29, (Name und Alter von der Red. gefälscht) und grinst, „es ist gar nicht zu ermessen, was alles schon gefälscht worden ist“. Grinst weiterhin und zeigt mir:
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Gutscheine, Fahrscheine, Wahlplakate, Kaugummiautomatenaufkleber („Außer Betrieb“), politisches Falschgeld, ein „Spiegel“-Plagiat, Briefköpfe, Zeitungsköpfe, oberamtliche Zeitungsinserate — alles hundsgemein erlogen, und alles erwünscht von der jungen Bremer Initiative G. Fälscht / Archiv für ungewöhnliche Maßnahmen.
Mittels geschnorrter Anzeigen werben seit wenigen Monaten „wir paar Leute“ bundesweit sog. „freie Mitarbeiter/Innen“ an: Täter, Opfer und Sympathisanten von Foppereien aller Art. Mindestens die Zusendung von Material ist erbeten, Kopien dürfen's auch sein, aber am liebsten hat man natürlich originale Fälschungen. Adresse: das Bremer Postfach 104 522.
Einiges hat sich schon angesammelt; und sobald ein Stapel beisammen ist, wird das Zeug nach Amsterdam geschafft. „Da isses sicher“, da haust, im Schutz des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte, nach einer langen
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Irrfahrt mittlerweile das ID-Archiv. Dieses Archiv geht zurück auf den legendären Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten, Kosename ID, einem der Fossile, von dem auch unsere taz ihre Abstammung herleitet.
Das ID-Archiv nun beschränkt sich seit zehn Jahren auf die Dokumentation linker Zeitschriften; Herr Schulze schnüffelte mal rein und fand: nix über Spaßguerilla, keine Handbücher, keine Belege von all den subversiven Aktionen. „Die Geschichte der Fälschungen“, sagt Herr Schulze, „die schreibt sich ja leider nicht von selber: Die meisten Fälscher vernichten sofort ihre Unterlagen.“ Besser, man bunkert sie an so sicherem Ort. „Außerdem“, sagt Herr Schulze, „wo soll einer sonst nachschlagen können, wie man's macht?“ Wie man also richtig fälscht.
In den USA ist man am weitesten:
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Dort legen die sog. Hoaxer ganz sportmäßig die storygeilen Medien aufs Kreuz. Der berüchtigte Alan Abel etwa fingierte, wie der diesbezüglich gewitzigte „Stern“ berichtete, mit Schauspielern und vielen bunten Fähnchen im New Yorker Plaza Hotel eine sensationelle Hochzeit: Idi Amin heiratet 18-jähriges Ostküsten-Girl und wird damit amerikanischer Staatsbürger. Selbst FBI-Beamte drängten sich durch die Spaliere der „Leibgarde“; es war ihnen oberpeinlich, daß sie erst aus der Presse davon erfahren hatten.
Anfänger lieben es, bevor sie ganze Ereignisse fälschen, erstmal paar Comics umzudrehen: da kriegen bloß alte Helden neue Sprechblasen. Unzählige Asta- rixe bei Uniwahlen sind die Folge; in der Hafenstraße kursierte der Häuserkampf in Entenhausen; und die netten Shops mit den bunten Schnurvorhängen halten Fick und Fotzi oder auch die Abenteuer von Fucky Luke feil, was aber noch gar nix sein dürfte gegen Asterix und die Lehrerausbildung.
Mehr Bastlerliebe steckt zum Beispiel in den Faltblättchen, die zur Zeit der Bombenzüge verteilt wurden: IZB — Ihr Zugbegleiter bundesbahngetreu mit Durchfahrtszeiten und Anschlußzügen für alle Bahnhöfe. Für das exakte „Spiegel“-Plagiat neulich zum Thema „Chlorfreies Papier“ brauchte es dann schon die Werk
statt von Greenpeace.
Hier meckert beim Fälschen der Teufel: Nur wer imstande ist, den technischen Aufwand ins Unermeßliche zu treiben, kann uns die wirklich haarsträubenden Dinger glauben machen. Theoretiker der Fälschung, so weiß der kleine Herr Schulze, ziehen daraus einen klammen Umkehrschluß: In unserer Nachrichtenzirkulation, sagen sie, ist der hohe Einsatz an Technik und Kapital bereits das Eigentliche, die Wahrheit des Ereignisses selbst.
Ein Jahr ist es her, da brauchte aber ein Rollkommando im nahen Osnabrück bloß Köpfchen und
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den Briefkopf des Oberstadtdirektors Dirk Meyer-Pries. Herr Schulze zeigt mir zahlreiche Hauswurfsendungen, über denen die Stadt während des Golfkrieges fast verrückt geworden wäre: Aufforderungen zu Notopfern, Bekanntmachungen von Gasmaskenausgaben und Friedhofserweiterungen ohne Ende, alles überaus amtlich intoniert und mehr als echt, wochenlang immer neue Bosheiten, bis endlich der gepeinigte Oberstadtdirektor mit einem empörten Rundschreiben zurückschlug: „Hier wird mit den Gefühlen von Menschen Schindluder getrieben! „ sprach er und kündigte eine Strafanzeige an und rief sein Stadtvolk zur Mithilfe bei der Fahndung auf. Auch dieses Schreiben war gefälscht.
Jetzt warten Sie mit dem Lachen: Ein paar Tage später trommelte Tilman Pünder, Oberstadtdirektor im benachbarten Münster, per Rundschreiben zu einem
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städtischen Zivilschutzlehrgang, und alle grinsten, har, har, har, bis der gute Pünder vor der Presse erschien, rot wie eine Sauerkirsche, und gestand: das Schreiben war echt; „...aber reine Routine, ehrlich!“
Das Ziel jeder Fälschung sind die Zentren der Macht. Man kann, was sie herausgeben oder verlauten lassen, mit spaßigen oder grausigen Varianten vervielfachen; man kann ihnen, was sie schlucken, mit Fakes verderben, z.B. den Medien ihre Ereignisse. Herr Schulz kann sich „nur wundern, daß das nicht mehr Leute machen!“ Immerzu kramt er unter seinen Papieren neue hervor, witzige, aberwitzige, schwärmt
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Der Deutsche als Neandertaler: Politisches Falschgeld aus unbekannter Presse. Einige Supermarktkassen haben es anstandslos akzeptiert.
von all den köstlichen Schwindeltechnologien und von all den Taktiken des Unterlaufens; und man kann sich unterdessen denken, daß grad ihre Schwäche die Mediengesellschaft so stark macht: Schon weil wir Schwachen vor ihren Apparaten wünschen, daß
Erwünscht ist alles, was je erstunken und erlogen worden ist: amtliche Rundschreiben, Zeitungsplagiate, Pressefoppereien. Gerne auch Kopien, am liebsten aber originale Fälschungen. Adresse: das Bremer Postfach 104 522.
wahr sei, was sie für uns hat, zirkuliert in den Kreisläufen der Information inzwischen tausendmal mehr Scheinwahrheit, als je hineingefälscht werden kann.
Aber wenn's weiter so gut läuft, stellt G. Fälscht nächstes Jahr mal eine Wanderausstellung zusammen: Die schönsten Falsifikate; Start in Bremen. Bei Hape Kerkeling ist schon nachgefragt von wegen Beatrix-Perücke; und die Toten Hosen rücken vielleicht ihre Heino-Brille raus. Und wenn die Leutchen ihren ganzen Mut zusammenraffen, dann gibt's auch was von wahrhaft kriminologischer Raffinesse, nämlich eine Didaktik des Fälschens: die wirksamsten Methoden in vielen leichtverständlichen Schaubildern. Wer's nicht glaubt, zahlt einen Taler. Manfred Dworschak
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