: Shopping-Center ins Regierungsviertel?
■ Stadtforum zum Regierungsviertel: »Durchmischung« der »toten Ecke« mit Flaniermeile und Läden?
Berlin. Mit der zukünftigen Planung des Parlaments- und Regierungsviertels im Spreebogen treibt man ein semantisches Spiel — ein untrügliches Zeichen relativer Unsicherheit: Mit Vorschlägen wie »Parlament der schönen Wege«, »Parlament der kurzen Wege« oder »Parlament der offenen Wege« hofft man die Ghettobildung der Bundesbauten verbal zu bannen. Die Dimensionierung und funktionale Ausprägung der Gebäude wird verwässert, in der Hoffnung, die Bauvorhaben im Spreebogen könnten den Berlinern so schmackhafter gemacht werden. Das grüne Areal am Reichstag, spitzt man einige Beiträge von Planern auf der 17. Runde des Stadtforums mit dem Thema »Planungs- und Städtebauanforderungen für die Regierungs- und Parlamentsfunktionen« zu, könnte durchaus mit kleinen Geschäftchen und noblen Shopping- Centers, kulturellen Einsprengseln, Wohnungen und öffentlichen Spazierwegen »durchmischt« werden — als parlamentarisch-urbane Idylle.
Der Drang zur »Durchmischung« kommt nicht von ungefähr, gehen doch die städtebaulichen Überlegungen davon aus, daß ein »isolierter Fremdkörper, der sich durch Abschirmung oder introvertierte Selbstdarstellung dem vitalen städtischen Alltag entfremdet, vermieden werden muß«, wie Lenkungsgruppen-Beirat Karl-Heinz Wuthe sagte. Damit »die tote Ecke in Berlin«, wie der Historiker Arnulf Baring den Platz der Republik charakterisierte, »nicht tote Ecke bleibe«, sollte an eine Verkleinerung der Anlage gedacht werden. Zugleich müsse das Gelände sich zur Spree öffnen — eine Meinung, der sich der Stadtplaner Edvard Jahn anschloß.
Die absurde Idee, das Regierungsviertel in eine kleine Stadt zu verwandeln, stieß auf Kritik. Die rund 4.500 Mitarbeiter der Regierungszentrale werden sich mit ungefähr 120.000 Quadratmeter Nutzfläche nicht verstecken lassen. Sie werden vielmehr dominant im Stadtbild sein und sich auf angrenzende Stadtgebiete des Tiergartens, nach Moabit oder in die Dorotheenstadt ausdehnen. Verkehrswege werden auf das neue Zentrum fixiert sein. Das mögliche »Achsenkreuz« für ICE-Bahnen wird den Spreebogen zusätzlich belasten. Schon darum ist es notwendig, die städtischen Wege und Nutzungen zu sichern und den Spreeweg zur Promenade auszubauen.
Eine Anhäufung urbaner Einrichtungen indessen darf in das Regierungsviertel nicht hineinprojiziert werden. Diese würden sich selbst, ebenso wie das Regierungsviertel, zur »Belanglosigkeit degradieren«, merkte Michaele Schreyer an. Notwendig sei vielmehr, »bauliche Eckpfeiler« zu setzen, die Kommunikation mit den Bürgern erlaubten. Der Platz der Republik, forderte der Bundestagsabgeordnete Peter Conradi (SPD), müsse »weiterhin als Ort und Raum für Kundgebungen zugänglich bleiben«.
Von der Diskussion hatte sich Stadtentwicklungssenator Hassemer »konkrete Arbeitsergebnisse« für die kommende Ausschreibung des städtebaulichen Ideenwettbewerbs erhofft. Hassemers Überlegungen aber scheinen weit mehr geprägt von städtebaulich funktionalen Vorstellungen sowie der differenzierten Nutzung des öffentlichen Raumes als von einer falschverstandenen, simulierten Örtlichkeit. Natürlich seien die Spreewege Teil des Wettbewerbs, sagte er. Der Spreebogen indessen werde durch die Parlamentsbauten bestimmt. »Nördlich der Spree«, so Berlins oberster Stadtentwickler, »nimmt das Parlament an der Stadt teil.«
Der städtebauliche Ideenwettbewerb wird in einem zweistufigen Verfahren durchgeführt werden. Der ersten Stufe — und nach der vom Preisgericht vorgenommenen Klassifikation — folgt eine »kraftvolle Zwischenerörterung über die besten Ergebnisse«, sagte Hassemer. In einer zweiten Stufe werde eine »definitive und endgültige Entscheidung« (Hassemer) getroffen. Wie offen, wie öffentlich, mit wem und mit welcher Konsequenz die »kraftvolle« Zwischenbilanz über die Ideen zum Spreebogen geführt wird, muß noch »kraftvoll« diskutiert werden. Einen Ausschluß der Berliner Öffentlichkeit, forderte Michaele Schreyer, dürfe es jedenfalls nicht geben. Rolf R. Lautenschläger
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