■ ARTUR, BERLINOID: Reisen bildet
Mit ihrer Lingua mixta mediterrana, wie sie sagt, kommt sie überall durch, versteht man sie, und die Hauptsache ist ja, man bekommt, was man braucht, oder nicht, Artur?
Das hatte während ihrer Ausbildung begonnen, diese unwiderstehliche Reiselust. Sobald die ersten warmen Sonnenstrahlen spürbar waren, hatte sie nix mehr in Berlin halten können, und sie war losgezogen, mit ganz wenig Gepäck und noch viel weniger Geld, aber mit der brennenden Sehnsucht nach Sommer, Sonne, Sand und Meer, nach Tomaten, Olivenöl, dem Geruch von Rosmarin und Lavendel.
Viel sei sie mit Zügen gefahren, ratternd durch Nächte und Landschaften, aber auch per Anhalter. Dann und wann habe sie auch ein eigenes Motorrad gehabt, und bisweilen eben auch ein Fahrrad, doch das Reisen dürfe nicht zu anstrengend werden.
Und wie hast du dich denn verständigen können, fragte Artur neugierig, die Leute sprechen doch nicht überall Deutsch oder Englisch. Nun, wie gesagt, sie sei zurechtgekommen, und zwar mit einer Mischung aus Schlagertextzeilen und Gastronomiefremdsprachen. »Vamos a la playa« habe in Spanien immer zu überzeugenden Ergebnissen geführt und »I'm just a soul whose intentions are good« in englischsprachigen Ländern ebenfalls. »Je déclare l'état du bonheur permanent« von Moustaki, im rechten Augenblick sanft in eine Unterhaltung eingefügt, könne denn schon Begeisterung auslösen und freudige Zustimmung.
Problematisch allerdings sei jeweils, sich mit den nachfolgenden Redeschwallen der Freunde auseinanderzusetzen, die sind dann häufig enttäuscht, daß man ihre Sprache überhaupt nicht so beherrscht, wie sich das angehört hat, grinst sie.
Ein gut Teil Kommunikation sei schließlich auch in Zeichensprache zu bewältigen, oder durch Versatzstücke aus Lyrik, oder indem man Fremdwörter der deutschen Sprache wieder an ihren Ursprung zurückführe. Hin und wieder, räumt sie ein, sei dann allerdings mit Rückschlägen oder Komplikationen zu rechnen, aber das sehe ich positiv, denn dann fangen Gespräche oft erst an, meinst du nicht auch, Artur?
So habe sie einmal im Zug nach Paris, als der Morgen dämmerte, diese Stimmung mit »moment crépusculaire« benannt. Es sei ihr nicht leichtgefallen, den Eindruck, sie sei symbolistisch versierte Esoterikerin, wieder zurechtzurücken. Oder als sie, durchaus artig, sagt sie, mal Einrichtung und Ambiente einer Wohnung loben wollte und anerkennend als »très luxurieux«, so sagt man ja doch wohl bei uns, sehr luxuriös, bezeichnete, da wurde die Dame des Hauses um einen Schein blasser, bedeutet es doch französisch nicht nur »geil«, sondern eben auch »unzüchtig«. Wie, frage ich dich, Artur, wie konnte ich das denn ahnen? Er antwortete ihr mit einem babylonischen Lächeln. Clemens Walter
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