: TOURISMUS UND UMWELTSCHUTZ
■ Konferenz zur Verschmutzung des Mittelmeers in Tunis. Tunesien ist das erste arabische Land mit einem Umweltministerium.
Konferenz zur Verschmutzung des Mittelmeers in Tunis. Tunesien ist das erste arabische Land mit einem Umweltministerium.
VONANGELIKABURKHARD
Tourismus als Vehikel des Umweltschutzes? Das Mittelmeer, eines der beliebtesten Urlaubsziele der Welt, ist kurz vor dem ökologischen Kollaps. Die 150 Millionen Besucher, die alljährlich hierher kommen, hinterlassen ihre Spuren. Immer noch werden Küstenstreifen zubetoniert, Abwässer ungeklärt ins Meer geleitet, der Trinkwasserverbrauch gesteigert. Klar ist, daß der Tourismus nur überleben kann, wenn auch die Natur eine Chance bekommt.
Kurz vor der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro berief die „Organisation Méditerranéene des Journalistes et Ecrivains du Tourisme“ (OMJET) eine erste Mittelmeerkonferenz der Bürgermeister und Stadträte in Tunis ein, um über gemeinsame Strategien zur Bekämpfung der Mittelmeerverschmutzung zu beraten. Gekommen waren rund 80 Interessierte, unter ihnen nur einige Gemeindepolitiker aus Spanien, Griechenland, Ägypten, Tunesien und Marokko. Dafür aber Touristikfachleute und Journalisten aus fast allen Anrainerstaaten bis auf Libyen, Israel, Libanon, Zypern, Jugoslawien und Albanien.
In Tunesien ist nicht nur der Sitz der OMJET, es ist auch eines der Mittelmeerländer, die extrem stark vom Tourismusgeschäft abhängig sind. Bereits vor drei Jahren war der Tourismus der größte Devisenbringer des Landes. 1990 versorgte Tunesien 3.203.787 ausländische Touristen, größtenteils Badeurlauber. Ums Meer gruppieren sich nicht nur die Touristenburgen, auch die tunesische Bevölkerung lebt zu 75 Prozent an der nur 1.300 Kilometer langen Mittelmeerküste. Eine Siedlungstendenz, die bei fast allen Anrainerstaaten zu beobachten ist, gerade am Südrand des Mittelmeeres. Den flächendeckendsten touristischen Bauboom haben aber Spaniens Costa Brava, Costa del Sol oder Costa Blanca aufzuweisen. Bis zu 90 Prozent der Küsten sind hier zubetoniert. Auswirkungen auf die Vegetation und den Grundwasserspiegel sind seit langem sichtbar.
Die Umweltprobleme sind bekannt, gezielte Strategien kommen unter den wirtschaftlich und sozial sehr unterschiedlich strukturierten Mittelmeerländern nur schwer in Gang. Allzu schnell fühlen sich die einzelnen Nationen oder Gemeinden überfordert. Auch in Tunis wird nicht über praktische Handlungsperspektiven geredet. Immer noch werden das Vorfeld abgesteckt, Bilanz über die Verschmutzungsgrade gezogen und Bedingungen für eine gemeinsame Politik erörtert. Die Vertreter aus Marokko, Algerien, Tunesien und Ägypten betonen dabei besonders, daß das Nord-Süd-Gefälle der Anrainerstaaten eine stimmige Umweltpolitik verlangt. Gefordert wird eine „faire“ Kooperation. Umweltpolitik soll realistisch sein und die jeweiligen Möglichkeiten der betroffenen Länder berücksichtigen.
Erster praktischer Schritt ist dann eine Deklaration für Rio. Die Gründung gemeinsamer Umweltgremien und nationaler Umweltinstitutionen wird vorgeschlagen. Im internationalen Hoheitsbereich des Mittelmeeres werden für die Anrainerstaaten mehr Einspruchsrechte gefordert. „Eine Art Greenpeace“ soll die Gewässer und Küsten überwachen, nationale Aufklärungskampagnen das Umweltbewußtsein fördern. Angeregt werden außerdem Umweltpreise für die Enttarnung von Umweltverschmutzern und die Errichtung eines internationalen „Eingreiffonds“. Eine Delegation der Konferenz wird in Rio sein und sich besonders für diesen Fonds einsetzen. Er soll von nationalen wie internationalen Verschmutzern gespeist werden.
Die Mittelmeerverschmutzung, so die einhellige Meinung der Tagungsteilnehmer, ist nicht nur Sache der Anrainer, sondern zu einem beträchtlichen Anteil von internationalen Nutzern des Mittelmeers mitverursacht. Obwohl so klein, ist es eines der meistbefahrenen Meere der Welt. Alleine 300 Millionen Tonnen Öl, so der Vorsitzende der algerischen Umweltorganisation, Prof. Zohir Sekkal, werden jährlich durch das Mittelmeer transportiert, 35 Prozent der weltweit verschifften Rohölmassen passieren die algerische Küste. Bei der Ölverladung oder bei illegalen Tankerspülungen fließen jährlich etwa 635.000 Tonnen Öl ins Meer, berichtet der Greenpeace- Vertreter Mario Damato aus Italien. Dies ist ein Fünftel dessen, was ingesamt alljährlich an Öl in die Weltmeere gekippt wird. Hinzu kommen die Öl- und Nuklearverschmutzungen, die die Kriegsschiffe der Nato hinterlassen, und die Umweltkatastrophen, welche die internationale Handelsschiffahrt regelmäßig verursacht. Auch laufen trotz verschärfter Kontrollen immer wieder Frachter mit Industrieabfällen die Häfen an. In den letzten zwei Monaten, so Damato, wurden die „Heltermaa“ und die „Cito“ davon abgehalten, ihre Toxidfracht aus der Bundesrepublik in den Mittelmeerhäfen zu löschen. Aufgelistet im Reigen der Mittelmeerkiller werden auch die internationalen Fischereiunternehmen, speziell aus Japan, die an dessen systematischer Leerfischung beteiligt sind.
Doch man hatte nicht nur Negatives zu berichten in Tunis. Es sind auch einige Erfolge zu verzeichnen. Inzwischen gibt es Greenpeace-Büros in Spanien, Italien, Griechenland, Malta und Tunesien. Tunesien hat auch einen ersten Schritt in Sachen Umweltpolitik unternommen. Im „achten Fünfjahresplan für ökonomische und soziale Entwicklung“ wurden umweltpolitische Richtlinien vor allem für den Tourismus vorgegeben. Es ist auch das erste arabische Land, das sich rühmen kann, einen Umweltminister benannt zu haben. Problembewußtsein demonstrierte der Präsident Tunesiens, Zine El Abidine Ben Ali, indem er die Umweltkonferenz der OMJET unter seine Schirmherrschaft stellte, die Wirtschafts-, Tourismus- und Sozialminister an der Tagung teilnahmen und ihr Interesse an einer gezielten Umweltpolitik bekundeten. Vielleicht zwingt wenigstens der Tourismus mit seinem unersättlichen Bedarf an der „Ressource Natur“ die Politiker zum Handeln. Auf der nächsten gemeinsamen Umweltkonferenz im Oktober in Alexandria wird man sehen, ob Tunis, ob Rio in Sachen Mittelmeerschutz etwas bewirkt haben.
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