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KOMMENTARDer Staat, ja der Staat hat immer Recht!

■ Bundesverwaltungsgericht fällte politische Entscheidung für Atommüllager Morsleben

Der Staat, ja der Staat hat immer Recht! Bundesverwaltungsgericht fällte politische Entscheidung für Atommüllager Morsleben

Verwaltungsrichter sind für normale Bürgerinnen und Bürger Wesen von einem anderen Stern. Sie interpretieren die verklausulierte Sprache der Bürokratie in unnachahmlicher, wenngleich häufig unverständlicher Weise. So auch im vorliegenden Fall: Ein Atommüllager, noch vom SED-Staat nahe der innerdeutschen Grenze genehmigt, wechselt in den Vereinigungswirren mehrfach den Besitzer. Es wird zwar zeitweise illegal betrieben, doch eines bleibt erhalten: die Betriebsgenehmigung. Eben die ist wichtig für die neuen westlichen Herren vom Bundesamt für Strahlenschutz und für deren Minister Töpfer. Töpfer erbt nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von Honecker ein genehmigtes Endlager. Nach dem Motto, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, haben die Richter des 7. Senats beim Bundesverwaltungsgericht einfach die Wirrnisse des Vereinigungssommers als juristisch nicht relevant angenommen. Die Privatisierung des Endlagers für schwach- und mittelradioaktiven Müll und dessen Betrieb war zwar rechtswidrig, aber nicht entscheidend, so der Vorsitzende.

Bei den obersten Verwaltungsrichtern setzt sich an dieser Stelle ein Hau-ruck-Pragmatismus durch, der den Staatsapparat beim Umgang mit der Ost-West-Materie immer mehr zu beherrschen scheint. Diese Neigung verschwägert sich auf unglückseelige Weise mit der Besatzermentalität vieler im Osten eingesetzter Staatsfunktionäre. Exportiert wird nicht der Rechtsstaat Bundesrepublik, sondern der Weisungsstaat Töpferscher Prägung, bzw. der Krausesche Beschleunigungsstaat.

BürgerInnen drängt sich folgender Eindruck auf: Wenn es dem höheren staatlichen Ziele dient, werden rechtliche Spielräume hemmungslos vergrößert, und dann werden die Spielräume hemmungslos ausgenutzt. Um nur ein weiteres Beispiel zu nennen: Auch die Giftmüllkippe in Schönberg wird per ordre de mufti weiterbetrieben — ohne die sonst notwendigen Sicherheitsuntersuchungen für eine Genehmigung.

Die Magdeburger Verwaltungsrichter hatten in der Vorinstanz die Buchstaben des Gesetzes und obrigkeitsstaatlichen Gestaltungsspielräume der Bürokratie eng interpretiert. Ein Betrieb des Endlagers trotz der Rechtslage von Kraut und Rüben würde die Bürgerrechte drastisch schmälern. Vom Bundesanwalt hatten sie ihren Entscheid dafür „formalistisch und unpraktikabel“ schimpfen lassen müssen. Die deutsche Einigung sei das Entscheidende, dann müsse das Recht eben fortgebildet werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden. Der Eindruck täuscht nicht: Der Staat hat im Zweifel immer Recht. Hermann-Josef Tenhagen

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