: Sicherheitsgefühlspolitik
■ Ausbrüche als Anlaß für Kritik an der Justizsenatorin
Sicherheit, so lehrt »Mayers Enzyklopädisches Lexikon«, stellt sich objektiv im Vorhandensein von Schutzeinrichtungen dar und wird subjektiv als Gewißheit von Individuen oder sozialen Gebilden über die Zuverlässigkeit von Schutzeinrichtungen empfunden. Nun wird keiner bezweifeln, daß es sich beim Strafvollzug um Schutzeinrichtungen handelt, die schon seit Jahren mit der gleichen unerbittlichen Strenge funktionieren. Sofern sich in den letzten Jahren Veränderungen ergaben, indem die Möglichkeiten des offenen Vollzuges stärker genutzt wurden, entsprach dies dem Auftrag des Strafvollzugsgesetzes. Die CDU kritisiert die konkrete Erfüllung dieses Resozialisierungsauftrages. Sie traut sich jedoch nicht, ehrlicher- und konsequenterweise gleich dessen Revision zu fordern und auch politisch zu vertreten. Justizsenator Scholz hat es vor Jahren versucht, beim Versuch ist es geblieben. Die Attacken der CDU gelten den Erscheinungen, die notwendigerweise die Resozialisierungsmaßnahmen begleiten, die kleinen und großen Fluchten der Gefangenen. Auch ihnen ist bekannt, daß Ausbruch und Drogen Bestandteil eines jeden Knastalltags sind, unabhängig von der Parteizugehörigkeit des jeweiligen Senators. Ihnen ist aber bekannt, wie leicht sich mit der subjektiven Seite der Sicherheit Politik machen läßt. Und dieser Verlockung erliegt die CDU nur allzu gerne. Die »Gewißheit über die Zuverlässigkeit von Schutzeinrichtungen« läßt sich leicht erschüttern. Man nehme nur, wie im vorliegenden Fall, ein spektakuläres Einzelereignis, insinuiere eine damit zusammenhängende Gefahrenlage und verbreite das über die Boulevardpresse. Mit einem solchen Vorgehen läßt sich trefflich Koalitionspolitik betreiben. Justizsenatoren aller Parteien können davon ein Lied singen, und auch im aktuellen Fall ist zu mutmaßen, daß der Wille zum heftigen Angriff auf die Justizsenatorin bei der CDU schon vorhanden war, bevor das Ereignis eingetreten ist. Dieter Rulff
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