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Die Botschaft zwischen den Beinen

■ Das Festival »Jazz in July« geht mit den Enkeln des schwarzen Godfather James Brown zu Ende

Wenn »Sir Mix A Lot« im Video von der überdimensionalen Plastikbacke herab rappt, »ich mag große Titten und fette Ärsche«, dann wirkt Prince fast schon bescheiden — sexy motherfucker, show me your little ass. Die Wasserpistole entpuppt sich als Riesenphallus mit Mikrophonkuppe: Wir sind back to the roots, die Medienrevolution der underdogs ist in vollem Gange. Die Alpträume der Weißen werden mobilisiert, das Kinderzimmer zur Couch umfunktioniert, unter der die Ahnungslosen mit der Tekknokassette im Arm der Dinge harren. Noch tun die amerikanischen Medien sehr seriös, wenn sie f**k mit zwei Sternchen drucken, während via TV der Generalangriff läuft. Die häßlichen Schwarzen zahlen ihr Lehrgeld zurück: ihre Message steht zwischen den Beinen.

Das Festival »Jazz in July« im Klub Quasimodo erteilt zum Abschluß ein wenig Nachhilfeunterricht für dieses Phänomen. Die Sache ist etwas älter. Wie war das noch — »If you dont like my ocean, dont fish in my sea, stay out of my valley, let my mountain be«? Das hatte die Mutter des Blues MaRainey schon in den 20er Jahren gesungen, als entdeckt worden war, daß auch Schwarze Platten kaufen. »Rap gibt es schon viel länger, als manche denken«, sagt auch die Grande Dame des Jazzvocals Betty Carter, des modisch Gefälligen unverdächtig. »Heute ziehen die Rapper den Plattenmajors die Ohren lang, der Musikmarkt spielt total verrückt, da er vollständig von schwarzer Musik kontrolliert wird. Die Weißen können das nicht einfach an sich reißen, wie damals mit dem Rock'n' Roll. Hier sollten wir Jazzmusiker und die Jazzcommunity intervenieren und eine musikalische Alternative bieten für jene, die etwas anderes hören wollen. Wir Jazzer müssen den Weg zurück zum schwarzen Publikum finden, nachdem wir es mit dem Avantgarde- und Free-Jazz- Zeug verloren hatten — denn wenn du den Schwarzen ihren Rhythmus nimmst, lassen sie dich allein.«

Rhythm: Das ist die Message des Altsaxophonisten Steve Coleman, Jahrgang 56, Gründungsmitglied des Brooklyner Musikerkollektivs »Macro Basic Array of Structural Extemporisation M-BASE«. Er ist am Sonntag im Quasimodo zu hören. »Meine Musik«, sagt er, »ist eine Extension der schwarzen Musik in diesem Land — Soul, Rhythm'n Blues, Jazz und Funk. Das Creative Black hat seine Unterdrückung während der Sklavenära überlebt, davon erzählt meine Musik.« Free Funk der »James Brown Kids« aus der Hörschule des Bebop — am 19.7. mit »Steve Coleman & Five Elements«.

»Jazz ist nicht nur Musik, es ist eine Art, zu leben, zu sein, zu denken«, sagte die zornige Nina Simone bereits 1970. »Ich denke, daß der schwarze Amerikaner Jazz ist. Alles, was er tut — sein Slang, sein Gang, sein Jargon, seine Idioms, Neues zu beschreiben, all das ist für mich ebenso Jazz wie die Musik, die wir spielen. Joe Zawinul ist in Österreich geboren. Im Quasimodo hat er mit seiner »Syndicate«- Formation die Gemeinde des legendären »Weather-Report« begeistert. Er, der Weiße, kann nur zustimmen: »Ich lebe nun schon über 31 Jahre mit Schwarzen zusammen, deshalb bin ich schwärzer als die meisten jüngeren Schwarzen«, meint er. »Ich wollte ein Jazzmusiker werden, und das lernt man nicht in Sibirien. Vom schwarzen Musiker wurde erwartet, daß er in der Küche arbeitet und den Dreck wegschafft. Das ist das amerikanisch-jüdische System, so läuft es, das ist Entertainment. Die meisten Weißen können keinen Jazz spielen, warum? Weil sie es nicht leben. Ich habe schwarze Orchester in Harlem geleitet, mit Miles, Cannonball und Ella gearbeitet. Erst war ich der Imitator, und dann fing ich Schritt für Schritt an, meine Musik zu kreieren. Bis auf wenige Ausnahmen können nur Schwarze meine Musik machen. Ich kenne keinen weißen Musiker, mit dem ich zusammenspielen möchte, ehrlich. Miles war der erste, der sagte, daß Joe Zawinul der beste Pianist ist, und die Leute hörten mir plötzlich zu...«

Aber seit Godfather James Brown unabkömmlich ist, tun die ewigen Zweiten seines Clans ganz wichtig. Sie kommen heute in den Schwitzkeller des Quasimodo und montags in das Tempodrom, Vicki Anderson zum Beispiel. »Keiner hat mehr für die Akzeptanz schwarzer Musik getan«, lobt sie den Funky President Brown, »aber um seine Leute habe er sich nie gekümmert.« Naja, immerhin hatte er in seiner Autobiographie Vicki Anderson noch über Soul Sister No. 1 Aretha Franklin hinaus gelobt. Anderson ist in Berlin zusammen mit Bobby Bird zu hören, der einst in dem legendären Duett mit Brown die »Sexmachine« anfeuerte. Illusionen über wohlgefällige, politisch korrekte Botschaften sollte sich da niemand machen: »Ich bin ein Entertainer, kein Revolutionär«, hatte der Godfather schon zu Zeiten seines »Rocky«- Comebacks (»Living In America«) gewarnt. »Als ‘Say It Loud, Im Black And Im Proud‚ zur Hymne des schwarzen Aufstands wurde, das war o.k. Und als ich bei den Black-Panther-Konzerten dabei war, gut. Aber ich habe das nie ernst gemeint. Das war alles nur Job.«

Na bitte: Die Vegetarier kommen — Geschichtsstunde mit der Vätergeneration des HipHop und ihren erwachsenen Kindern, ready to funk you up! Christian Broecking

Die James Brown Legacy zum Ausklang von »Jazz in July« im Quasimodo: heute, Mr. Sexmachine II. Bobby Byrd, morgen, Mr. M-Base Steve Coleman, 22 Uhr. Montag, Maceo Parker&Roots Revisited und J.B.s Funky People im Tempodrom, 19 Uhr.

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