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MIT DER TOKIOTER BAISSE AUF DU UND DUJapan senkt die Zinsen

Talfahrt der Börse zwingt Zentralbank zur Spekulation  ■ Aus Tokio Georg Blume

Japan senkt die Zinsen. Vermutlich schon heute wird die Tokioter Zentralbank den japanischen Leitzins um einen halben Punkt auf 3,25 Prozent senken. Die überraschend schnelle Entscheidung folgte den Sonderberatungen der Regierung am Freitag abend, nachdem die Tokioter Börse zum Wochenende auf ihren tiefsten Stand seit sechs Jahren gefallen war.

Die japanische Zinssenkung soll vor allem den internationalen Finanzmärkten Erleichterung verschaffen. Ausgelöst durch die Zinserhöhung der Bundesbank und den anhaltenden Abwärtstrend der Tokioter Börse häuften sich die Alarmzeichen: Kursstürze in Tokio fanden in den vergangenen Woche ein unüblich direktes Echo in London und New York. Aus der Gruppe der G7 meldeten sich bereits besorgte Stimmen in Tokio. Tatsächlich folgt die Zinssenkung in Japan einem Versprechen von Regierungschef Kiichi Miyazawa auf dem Weltwirtschaftsgipfel in München.

Als einziger konnte Miyazawa nämlich den wirtschaftlich lahmenden G7-Ländern belebende Maßnahmen für die Weltwirtschaft in Aussicht stellen. Die Zentralbank, immer noch von der Regierung abhängig, gehorchte prompt. Die japanischen Zinsen liegen jetzt nur einen Dreiviertel-Prozentpunkt über ihrem historischen Tief in der Spekulationsphase der späten achtziger Jahre. Die Zentralbank vertraut offenbar darauf, daß die Japaner des Spekulierens müde sind. Vielleicht hat sie damit sogar recht.

Auf seine Weise verkörperte nämlich der gestrige Sieg der Regierungspartei bei den Parlamentswahlen eine Rückbesinnung auf den wirtschaftlichen Alltag. Nicht politische, sondern wirtschaftliche Motive leiteten die Wähler zurück zu den regierenden Liberaldemokraten. Von denen wird nun erwartet, daß sie die Börse samt Wachstumsproblemen der Wirtschaft wieder in der Griff bekommen.

Auch mancher Investor in Deutschland ist vom Tokioter Börsengeschick betroffen: Immerhin 230 Millionen Mark haben deutsche Anleger allein in diesem Jahr in den Japan-Fond der Deutschen Bank investiert. Als die Deutsche Bank sich am 1.April für 60 Prozent dieser Summe in Tokio einkaufte, war man sich der Sache noch sicher. „Wir dachten damals,“ gesteht Helmut Mader, DB- Aktienchef in Tokio, „das untere Ende des Marktes erreicht zu haben.“

Davon kann nun keine Rede mehr sein. Auf einer Pressekonferenz in Tokio mußten die Aktienmanager der Deutschen Bank einräumen, daß ihr Japan-Fond seit April bereits sieben Prozent seines Wertes verloren hat. Doch die Deutsche Bank bleibe überzeugt, daß „90 Prozent der Baisse in Tokio vorbei ist“ und der Japan-Fond weiterhin eine langfristig lohnende Anlage biete.

Doch wer immer vom Ende der Tokioter Baisse spricht, weiß einen Zeitpunkt nicht zu nennen. Der Regierung bleibt nur noch wenig Handlungsspielraum. Sie hat sich mit einem zweiten, für den September in Aussicht gestellten Konjunkturprogramm bereits weitgehend festgelegt. Ebenso fehlt nun der Spielraum für weitere Zinssenkungen. Ihren Japan-Fond-Kunden legt die Deutsche Bank schon heute nahe, daß in diesem Jahr kaum mehr Gewinne zu erwarten seien. Also dann, Prost Neujahr.

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