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Fachhochschulen auf dem Weg zur Massen-Uni

■ Die von der Landeshochschulstrukturkommission anvisierte Entwicklung der Fachhochschulen bedeutet das Ende der familiären Geruhsamkeit

Berlin. Pfiffige Studierende der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege wenden einen Trick an, um pünktlich in ihre Kurse zu kommen. Sie gehen zu Fuß in den fünften Stock des Kudammkarrees, dem Domizil der Fachhochschule. Von dort fahren sie mit einem der sechs Aufzüge wieder nach unten. Ihnen ist dann ein Platz im Fahrstuhl sicher, der sie ins zwölfte Stockwerk aufwärts befördern soll. »Ist alles ein bißchen albern«, sagt eine Studentin, »aber besser, als hier im Parterre eine Viertelstunde zu warten.«

Solche Albernheiten drohen zur Normalität an den sieben Berliner Fachhochschulen zu werden. Die Fachhochschule für Wirtschaft in Schöneberg platzt mit den für das Wintersemester erwarteten 2.500 StudentInnen aus allen Nähten. An der FH für Verwaltung und Rechtspflege studieren heute doppelt so viele angehende BeamtInnen wie vor zwei Jahren, nämlich an die 3.000. Die Technische Fachhochschule wird in diesem Semester wieder über 8.000 junge Leute zählen und damit hart an eine Schallmauer herankommen. 10.000 Studierende wäre das höchste, was eine Fachhochschule aufnehmen solle, schreibt die Landeshochschulstrukturkommission (LHSK) in einem Gutachten.

Numerus clausus in fast allen Fächern

Die LHSK — ein von Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) eingesetztes Beratergremium für das »Zusammenwachsen« der Berliner Hochschullandschaft — hat eine Reihe interessanter Ergebnisse festgehalten. Etwa daß 90 Prozent der Berliner Fachhochschul-Studiengänge nicht frei zugänglich sind, weil sie einem lokalen Numerus clausus unterliegen. In Berlin gebe es — im Vergleich zur übrigen Bundesrepublik — zudem einen Mangel an ingenieurwissenschaftlichen Ausbildungsgängen. Kunst und Design sind regelrechte Stiefkinder im Fächerkanon der Berliner Fachhochschulen. Nur ein halbes Prozent der FachhochschülerInnen studieren Kunst an der Spree.

Im Hinblick auf Europa empfiehlt die LHSK allen Berliner FHs, »die Regelstudienzeit von acht Semestern einzuführen«. Der Europäische Gerichtshof fordere dies wegen der Austauschbarkeit der Abschlüsse. Gerade dort, wo das Gutachten der Landesstrukturkommission die Probleme der Berliner FHs am drastischsten beschreibt, kann es wenige Wochen nach seinem Erscheinen als überholt bezeichnet werden.

Berlins staatliche Fachhochschulen werden die von ihnen teilweise getragene »flächenbezogene Überlast« von 260 Prozent im gerade anlaufenden Wintersemester locker überbieten. Im Vergleich zum 91er Schnitt sind die Studierendenzahlen wieder um ein knappes Drittel gestiegen.

Beim Lehrpersonal sieht es noch dramatischer aus. Einem Lehrenden stünden im Schnitt 37 Studierende gegenüber, notieren Erhardts Gutachter. Die Hälfte des Lehrangebots müsse von externen Dozenten bestritten werden. Eine Zahl, von der man an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege dennoch nur träumen kann: 80 Prozent der Lehre decken dort die sogenannten Lehrbeauftragten ab.

Den heftigsten Widerspruch haben die Gutachter der LHSK allerdings bei ihren Strukturplänen geerntet. Sie schlagen künftig zwei große Fachhochschulen für Berlin vor. »Ungeschickt« nennt das Hartmut Tilwitz, Asta-Vorsitzender an der Technischen FH, was noch einer der harmlosen Kommentare ist. Einerseits propagiert die LHSK eine Steigerung der Studierenden an Fachhochschulen. Sie zielt damit auch für Berlin auf das vom Wissenschaftsrat empfohlene Verhältnis von 65:35 (Unis vs. FHs), das in Berlin 1991 bei 87:13 lag. Andererseits will die LHSK diesen Zuwachs in zwei große Fachhochschulen zwängen. Zählt man die Studentenzahlen einer ihrer beiden Fusionsvarianten zusammen, so kommt man schon jetzt auf 15.000 Studierende. Damit überbieten die professoralen Berater Manfred Erhardts ihre eigene Maximal-Marge um das Anderthalbfache.

Fachhochschulen der langen Wege

»Da läuft nichts mehr«, beschreibt Professor Rainer Knigge die Zustände an den zu erwartenden Massen-FHs. Knigge, einer von drei Gründungsrektoren der geplanten Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Karlshorst, befürchtet Fachhochschulen der langen Wege, an denen man sich nicht mehr kenne. »Vieles an Synergien geht da verloren«, meint Knigge und greift damit jenen Aspekt auf, den die LHSK selbst als Grund für die Bildung großer »integrierter Fachhochschulen« anführte: Synergieeffekte.

Die Gutachter der LHSK meinen damit, daß die Fachhochschulen in Zukunft »mehr Flexibilität im Studienangebot« aufweisen müßten. Fachliche Zusammenarbeit und Interdisziplinarität seien »vor allem zwischen Technik und Wirtschaft erforderlich«. Auch eine »immer stärkere Verzahnung mit dem sozialen Bereich« sei nötig. Damit rennt die LHSK an den Fachhochschulen offene Türen ein. Etwa an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, wo die traditionell stark am Juristischen ausgerichtete Ausbildung künftiger BeamtInnen mit der Vermittlung politikwissenschaftlichen und soziologischen Wissens entkrampft wird. Oder bei der Fachhochschule in Karlshorst: an der »in Gründung« befindlichen Einrichtung ist eine Fremdsprache obligat. Die Auswahl reicht dabei von Russisch bis Italienisch. Europa läßt grüßen.

»Wenn man den Fachhochschulen mehr Qualität geben will, dann soll man Fachbereiche mit Technik, Wirtschaft und Sozialem mischen«, sagt Hartmut Tilwitz. Aber dabei solle man den Esprit der Fachhochschulen erhalten — »ihre familiäre Atmosphäre«. Christian Füller

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