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■ Alleine kommen die Deutschen nicht zur BesinnungAusländer streikt!

Atze Brauner, der Berliner Filmproduzent, machte unlängst auf die Frage, ob er als Jude in der neuen deutschen Ausländerfeindlichkeit eine Wiederkehr der alten Geschichte sähe, einen praktischen Vorschlag: Die fünf Millionen Ausländer in Deutschland, so Brauner, sollten doch einfach einmal streiken. Wir würden schon sehen, was passiert. Seit Jahren vergeht kein Fernsehabend ohne den deutlichen Hinweis, daß ohne ausländische Arbeitskraft in Deutschland nichts läuft – wer da weiterhin „Deutschland den Deutschen“ blökt oder auch nur denkt, dem ist mit guten Worten nicht zu helfen. Erst wenn in seinem Spießeridyll der Müll zu stinken beginnt, wird er langsam zur Besinnung kommen, und wenn sein ausgelutschter Mercedes keine Käufer mehr findet, wenn fast alle Restaurants geschlossen sind und die Kinder ungeduldig nach Döner, Pizza und Rap-Musik verlangen, dann erst könnte endlich die Ahnung aufsteigen, daß er ohne Ausländer ja überhaupt nicht leben kann.

Ein Ausländer-Streik könnte also nicht nur der nationalistischen Spießerseele, sondern auch manchem Politiker zu Erkenntnissen verhelfen: Ohne einen beständigen Zustrom von Einwanderern wäre die Bundesrepublik nie zu dem geworden, was sie heute ist, und sie wird auch in Zukunft ohne zuwandernde Ausländer nicht existieren können. Ein Streik könnte auch ganz schnell klar machen, daß die von der Regierung betriebene Verquickung der Einwanderungspolitik mit dem Asylrecht fatale Folgen hat. Die Tatsache, daß Ausländer bei uns leben und arbeiten, hat mit dem Recht von Flüchtlingen und Verfolgten auf Asyl überhaupt nichts zu tun – in der öffentlichen Debatte aber wird so getan, als ob mit einem Dreh am Asylrecht das gesamte Einwanderungsproblem zu erledigen sei. Und was geschieht, wenn das Asylrecht gekappt ist, und eine Million Russen, die eine echt bayerische Großmutter nachweisen können, begehren Einlaß in die deutsche Heimat? Eine Streik würde sofort zeigen, daß es ohne Einwanderungsquoten in Zukunft nicht geht.

Wenn nach ein paar Tagen Streik das Chaos zu wachsen beginnt, werden die Streikenden den Volkszorn ebenso auf sich ziehen wie streikende Busfahrer oder Stahlarbeiter – aber nicht, weil sie Ausländer, sondern weil sie einfach unentbehrlich sind. Sage niemand, ein solcher Ausländerstreik sei unrealistisch – die Streikkassen der Gewerkschaften sind gefüllt, und da für die kommenden Lohnrunden ohnehin Zurückhaltung angesagt ist, könnte das Geld investiert werden: Um den neuen nationalen Wahn gleich wieder zur Räson zu bringen. Allein, so zeigt die Geschichte, schaffen die Deutschen das nicht. Mathias Bröckers

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