: Wehe! Das neue Namensrecht!
■ Bremer Familienforscher auf der Suche nach Ur-Ahnen und Altvorderen / Unheil naht!
Sie forschen nach Ahnen: nach Ur-Ur-Ur-Großvätern und Ur- Ur-Ur-Ur-Großtanten, nach deren Männern, Söhnen, Schwestern und Großeltern. Sie studieren Kirchenbücher, Ortsregister und Schoßlisten und wühlen in Archiven nach Leichenpredigten und Zeugnissen. Sie forschen und forschen. Sie wissen, wie sie mit wem verwandt, verschwippt oder verschwägert sind — bis ins siebenmal siebte Glied. Und sie erhalten Post von fernen Tanten aus Amerika, die auf der Suche nach den eigenen Wurzeln sind.
In Bremen haben sich die FamilienforscherInnen schon 1924 zu einem Verein zusammengeschlossen, dem sie den Namen „Die Maus“ gaben. Namenspatron, erläutert Vereinsvorsitzender Wolfgang Bonorden, war das Vereinslokal „Die Mausefalle“, wo sich die Bremer Familienforscher in den Zwanzigern trafen.
Die Maus forscht bis ins
siebenmal siebte Glied
Und der Name war so „unseriös“, daß der Verein zwei Jahre auf den Eintrag ins Vereinsregister warten mußte.
Heute ist „Die Maus“ ein überaus seriöser Verein mit etwa 370 Mitgliedern. Das Durchschnittsalter schätzt Vereinsvorsitzender Wolfgang Bonorden „um die 60“. Erst im Ruhestand hat der Mensch so richtig Zeit für die Familienforschung.
Im Staatsarchiv sitzen die Bremer Mäuse in einem kahlen Raum und wühlen in Aktenbergen. Jeden Donnerstag haben sie Sprechstunde und helfen jedem, der auf der Suche nach seinen Ursprüngen ist. In unregelmäßigen Abständen, etwa alle drei bis vier Jahre, veröffentlichen sie die Zeitschrift „Familiengeschichte in Norddeutschland“. „Schriftleiter“ heißen diejenigen, die sie redaktionell betreuen.
Wolfgang Bonorden, Gynäkologe im Ruhestand, ist seinen Vorfahren bis ins 16. Jahrhundert auf der Spur. Er weiß, welcher Altvordere wen wann und wo geheiratet hat, und wann er das Zeitliche gesegnet hat. Unter seinen Vorfahren fand Doktor Bonorden auch den Festungsbauer und Ingenieur-Leutnant Jean Etienne, der die Wilhelmsinseln im Steinhuder Meer geplant und erbaut hat. Leben und Werk des Chevalier Jean de Etienne hat er intensiv erforscht und seine Erkenntnisse in der „Familiengeschichte in Norddeutschland“ veröffentlicht. „Ich bin aber kein Militarist“, sagt Herr Bonorden und lacht.
Wie er überhaupt bemüht ist, sämtliche Makel, die der Familienforschung anhängen, wegzuwischen. Auch die, die ihr seit den Ariernachweisen des Dritten Reiches anhaften. Doch der historischen Hilfswissenschaft Familienforschung drohen größere Übel: Das neue Namensrecht. Da sieht der Vereinsvorsitzende „Rot! Für die Familienforschung ist das eine Katastrophe! Warum soll man etwas ändern, das sich in Jahrhunderten bewährt hat? Das ist doch nur eine Verbeugung vor der Emanzipation der Frau!“ Das neue Namensrecht ist aber nicht nur familienforscherfeindlich, es ist regelrecht „familienfeindlich“, befindet der Vereinsvorsitzende. „Die Familie ist heutzutage schon fast zerstört. Ich leide darunter, daß die Familie leidet. Stellen Sie sich vor, zwei Drittel aller Ehen werden geschieden. Natürlich ist man als Familienforscher auch für den Bestand der Familie und der Ehe. Es gehen doch auch die inneren Werte verloren. Die Leute haben ja keine Ideale mehr!“ Diemut Roether
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